Deutsche Welle Deutscher Auslandssender feiert im Bonner Plenarsaal Jubiläum

BONN · Das Geburtstagsgeschenk zum 60. - zumindest wurde es von allen Gratulanten so gewertet - gab's bereits am 13. Juni. Richtig gefeiert wurde die Deutsche Welle (DW) aber am Montag im vollständig mit Festgästen - darunter Dieter Weirich, der Vorgänger des Intendanten Erik Bettermann und dessen Nachfolger Peter Limbourg - und Teilnehmern des Global Media Forums "Die Zukunft des Wachstums" (bis 19. Juni) gefüllten Plenarsaal am Rhein.

 Volles Haus zum Geburtstag: Intendant Erik Bettermann im alten Plenarsaal des Bundestages beim Festakt der Deutschen Welle.

Volles Haus zum Geburtstag: Intendant Erik Bettermann im alten Plenarsaal des Bundestages beim Festakt der Deutschen Welle.

Foto: Kliemann

Der von der Bundesregierung und den Ländern verabschiedete Schulterschluss zwischen der DW und den öffentlich-rechtlichen Sendern der ARD-Kette, von ZDF und Deutschlandfunk öffne ein weites Feld für Programmübernahmen und Kooperationen, stärke insbesondere den deutschen Auslandssender DW im "internationalen Wettbewerb um Werte und Ideen", wie der nach zwölf Jahren nun scheidende Intendant Bettermann sagte. "Ich halte dies für einen Meilenstein in der Medienpolitik Deutschlands", sagte er. Die Welle befinde sich nun "auf Augenhöhe" mit den übrigen Sendern in Deutschland.

Passend dazu begrüßte ARD-Intendant Lutz Marmor den aufgewerteten Kooperationspartner DW - "Deutsche Welle reloaded" - in der Familie: "Aus der Fülle unserer Programme kann man etwas machen, was Deutschland sehr gut im Ausland repräsentiert." Betterman wie auch der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Bernd Neumann, ließen die vergangenen 60 Jahre der DW - vom Radiosender zum Multimediahaus - Revue passieren.

"Es gibt keine klassische Teilung der Medien Radio, Fernsehen, Online mehr. Wir sprechen hier von der Konvergenz der Medien", sagte Bettermann. Neumann und später dann NRW-Staatssekretär Marc Jan Eumann wiesen auf den rasanten Wandel der Mediennutzung hin. Bevor der Bonner OB die Welle als "Leuchtturm der Information" pries und für das Global Media Forum den "Bonn-spirit" beschwor, sagte Neumann Worte, die in Krisenzeiten nicht selbstverständlich sind: Er sicherte der DW eine "verlässliche, solide Finanzierung" wie in den vergangenen Jahren zu.

Bei der Welle hat das Wachstum also Grenzen - im Übrigen eine These von mehreren des Global Media Forums "Die Zukunft des Wachstums", die Stargast Avram Noam Chomsky unterschreiben könnte. Der umstrittene Linguist und streitbare Linksintellektuelle, geistiger Vater der Occupy-Bewegung, servierte dem voll besetzten Plenum in Behnischs Bundestag eine Tour d'Horizon über die amerikanische Hegemonial-Politik seit dem Kalten Krieg.

Der glühende Anti-Vietnamkrieg-Aktivist früherer Tage sieht eine Kontinuität von der Kuba-Krise, bei der Kennedy, so Chomsky, die Welt an den Rand einer nuklearen Katastrophe manövriert habe, bis zu George W. Bushs und Bill Clintons Irakpolitik und den, so Chonskys, Drohgebärden Barack Obamas gegen die vermeintliche Nuklearaufrüstung Nordkoreas und des Irans. Die USA habe sich immer das Privileg herausgenommen, sich von anderen Staaten bedroht zu fühlen und daran das Recht geknüpft, andere zu bedrohen, so der 85-Jährige.

Bis in feinste macht- und geopolitische Verästelungen breitete Chomsky das Problemfeld rund um Bin Ladens Entdeckung und Tötung durch US-Spezialtruppen in Pakistan aus. Chomsky sieht generell seit dem 11. September 2001 und in dem Fall von Bin Ladens Ende das Dilemma zwischen der Bedrohung durch den Terrorismus und den Bruch des Völkerrechts. Letzteres dürfe nicht zur Norm werden.

Chomsky bettete das außenpolitische US-Szenario in eine deprimierende Analyse der amerikanischen Innenpolitik ein: RECD (Real existing capitalistic democracy - herrschende kapitalistische Demokratie), nennt er das gegenwärtige System, in dem 70 Prozent der Bevölkerung keinen Einfluss auf die Politik hätten, Plutokratie statt Demokratie herrsche, wo zwar Parteien und politische Richtungen in den Regierungen wechseln, doch die wirtschaftlichen Eliten bestimmend blieben.

Chomsky setzt auf intakte Strukturen indigener Gesellschaften, auf Bildung und Engagement, wie gerade bei den Demonstranten in der Türkei, um der düsteren Politik und einer auf Desinformation setzenden Meinungsindustrie zu begegnen. Was er sich wünscht, wurde er gefragt? Eine Presse, die die Wahrheit erzählt.

Global Media Forum zur Zukunft des Wachstums

Drei Tage lang wird sich das sechste Global Media Forum der Deutschen Welle mit dem Thema "Die Zukunft des Wachstums - Wirtschaft, Werte und die Medien" befassen. Die Veranstalter rechnen mit 2000 Teilnehmern aus 100 Ländern, die im Bonner Plenarsaal an rund 50 Workshops und etlichen Vorträgen teilnehmen. Den Auftakt machte gestern der US-Sprachwissenschaftler und Vater der Occupy-Bewegung Avram Noam Chomsky mit einem Vortrag zum Thema "Wege zu einer gerechten Welt - Wie das Volk die Demokratie wiederbelebt."

Unter dem Kapitel "Global Governance - Architektur für eine nachhaltige Weltwirtschaft?" meldet sich heute Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu Wort. An der zugehörigen Podiumsdiskussion wird Aart De Geus, Vostandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung, teilnehmen.

Die vom Time Magazine als "Umweltheldin" gefeierte indische Physikerin Vandana Shiva, sie wurde 1993 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, spricht am Mittwoch über "Globalisierung und Werte". Der Tag steht unter dem Thema "Wirtschaft im Wertewandel - Green Economy, CSR und Menschenrechte". Ebenfalls am Mittwoch unterzieht der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer die deutsche Energiewende unter dem Titel "Grüne Revolution oder Albtraum?" einem Stresstest.

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