Überdurchschnittlich hohe Temperatur in Bonn Dezember bringt Wärmerekord

BONN · Wenn man über die Weihnachtsfeiertage unbeschwert im T-Shirt vor die Tür gehen kann, dann ist das schon bemerkenswert. Gefühlt war das der wärmste Dezember aller Zeiten, und die Statistik untermauert das auch: "Man kann davon ausgehen, dass das ein 500- bis 1000-Jahres-Ereignis ist", sagt der Bonner Klimatologe Karsten Brandt.

Der Dezember 2015 wartet ihm zufolge mit der wärmsten Mitteltemperatur auf, die je in Bonn registriert wurde: 9,2 Grad - das entspreche eigentlich einem etwas zu kalten Oktober. Für Bonn seien in den letzten 40 Jahren eigentlich Durchschnittswerte um vier Grad normal. Die kälteste Temperatur wurde am 10. Dezember mit 0,4 Grad gemessen, die wärmste am 7. Dezember mit 15,6 Grad, in einigen Stadtteilen auch 17 Grad. Das ist freilich kein Rekord, sagt Brandt: Im Bonner Raum wurden auch schon bis zu 20 Grad im Dezember gemessen.

"El Niño spielt dabei eine ganz große Rolle." Die warme Strömung im Pazifik führe auch zu beständigem Südwestwind von den Kanaren, der sonst nie acht bis zehn Wochen anhalte. "In diesem Jahr ist El Niño ungewöhnlich stark." Aber: "El-Niño-Jahre sind immer Schadensjahre." Dann gebe es starke Schwankungen zwischen sehr warmem und sehr kaltem Wetter. In den USA und in Großbritannien merke man das bereits, und auch in Deutschland werde es deshalb wohl noch richtig kalt, schon nächste Woche.

Allergiker dürften aufatmen. "Nach dem 7. Dezember waren die ersten Haselpollen in der Luft", so Brandt. Überall in der Stadt konnte man Bäume und Blumen blühen sehen, von den Zierkirschen in der Altstadt bis zu den Mandelbäumen in den Botanischen Gärten der Universität. "Das ist eine völlig außergewöhnliche Wettersituation", sagt Wolfram Lobin, Kustos der Gärten. "Wenn jetzt eine Kälteperiode kommt, werden die Blüten erfrieren." Dann werde es zwar im Frühling eine Blüte geben, "aber sie wird nicht so reichhaltig ausfallen".

Das sei für Bäume und Pflanzen jedoch nicht so dramatisch, sagt der Biologe. Am ehesten könnten die nicht heimischen darunter leiden. Lobin macht sich eher Gedanken um die Nutzinsekten, die jetzt schon aktiv sind: Bienen und Hummeln sieht man sonst in dieser Jahreszeit nicht. "Sie müssten jetzt Winterschlaf halten und tun es nicht." Bienen allerdings fänden zu wenig Nahrung. "Den Imkern wird geraten, Zuckerwasser hinzustellen."

Obstbauern können gelassen bleiben

Auch Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW sieht die Hauptprobleme bei den Imkern. Während Pflanzen, etwa Obstbäume, von der Tageslänge gesteuert werden, sei das bei den Bienen nicht der Fall. "Die verbrauchen all ihren Sprit." Im Sommer würden sie mehr Energie reinholen, als sie benötigen, jetzt könnten sie das nicht.

Die Obstbauern in der Region seien gelassen: Zu viel Wärme im Dezember störe sie weit weniger als extreme Kälte, zu wenig oder zu viel Wasser, Hagel und anderes. "Die Bäume sind recht robust und an das Klima angepasst." Die Ernte in diesem Jahr sei bei fast allen Kulturen überraschend gut gewesen, sagt Rüb.

Die jetzige Witterung, auch die angekündigte Kälteperiode, würde für das Jahr 2016 keine Einbußen mit sich bringen. Deshalb beschäftige die Bauern eher ein anderes Thema: "Sie hoffen auf bessere Preise und eine verlässliche Agrarpolitik."

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