Soziale Stadt Neu-Tannenbusch Die Angst-Räume verschwinden – zum Teil

Neu-Tannenbusch · Die Polizei warnt, das Viertel sei ein Nährboden für Kriminalität und Extremismus. Der Vorsitzende des Projektbeirats „Soziale Stadt Neu-Tannenbusch“, Detmar Jobst, entgegnet: Es passiert viel Positives - auch wenn es viele Jahre dauert.

 Das neue Studentenwohnheim an der Oppelner Straße/Ecke Riesengebirgsstraße soll die Sozialstruktur in dem von hoher Langzeitarbeitslosigkeit geprägten Stadtteil ein wenig ausgleichen.

Das neue Studentenwohnheim an der Oppelner Straße/Ecke Riesengebirgsstraße soll die Sozialstruktur in dem von hoher Langzeitarbeitslosigkeit geprägten Stadtteil ein wenig ausgleichen.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Hochhaussiedlung in Neu-Tannenbusch sei ein Nährboden für Kriminalität und muslimischen Extremismus, warnten jüngst Insider der Bonner Polizei. Das will Detmar Jobst (Grüne), Vorsitzender des mit Stadtverordneten und Verwaltungsvertretern besetzten Projektbeirats „Soziale Stadt Neu-Tannenbusch“, so nicht stehen lassen: „Neu-Tannenbusch ist im Umbau. Das Projekt “Soziale Stadt„ wurde 2009 unter Federführung des Stadtbauamtes gestartet. Es entwickelt sich, doch es braucht Zeit, bis all die geplanten Maßnahmen umgesetzt sind“, gibt Jobst zu bedenken. „Es ist ein Prozess von einem Dutzend Jahren und mehr.“

Für das Bund-Land-Förderprogramm „Soziale Stadt“ stehen bis 2017 etwa 19 Millionen Euro zur Verfügung. Die Stadt wird rund sechs Millionen Euro beisteuern. Die Projekte werden in Abschnitten umgesetzt. So umfassten die ersten beiden Schritte die Umgestaltung des KBE-Dreiecks und die Renovierung von Spielplätzen. In Schritt drei geht es auch an die Verkehrsplanung. So sollen unter anderem Kreisel gebaut werden.

Stadtteil mit Risiken und Chancen

Die Analyse vor Beginn des Programms habe einen Stadtteil mit Risiken, aber auch Chancen aufgezeigt, so Jobst. Tannenbusch sei zwar Bonns Viertel mit der höchsten Arbeitslosigkeit und einem sehr hohen Migrantenanteil, aber eben auch den günstigsten Mieten und der jüngsten Bevölkerung. Doch beim Thema Mieten sagt auch Jobst, dass der größte Vermieter in Neu-Tannenbusch, die Vonovia (ehemals Deutsche Annington), weiterhin ein sehr sperriger Partner sei. Stadtplanerisch sei man auf einem guten Weg, das zeige unter anderem der aktuelle Um- und Neubau des Tannenbusch-Centers.

Was aber Wohnqualität und Sozialstruktur angehe, gebe es kaum zu lösende Probleme, sagt Jobst. Immerhin seien seitens der Vermieter wie der Vonovia einige Fassaden renoviert worden. Dass aber für die Wohnungsgesellschaften die vielen Hartz-IV-Empfänger eine sichere Einnahmequelle darstellten, weil die Stadt deren Miete zahlt, sei ein großes Hindernis für eine Veränderung der Mieter- und Sozialstrukturen in dem Viertel, so der Projektbeiratsvorsitzende. Immerhin entstehe an der Ecke Schlesienstraße/Oppelner Straße ein neues Studentenwohnheim, und die Eröffnung eines interkulturellen Familienzentrums stehe 2017 bevor, so Jobst, der zugleich beklagt, dass dieser für das Viertel so wichtige Treffpunkt schon längst hätte eröffnet werden sollen.

Ein weiteres Problem: die zahlreichen Angst-Räume wie beispielsweise die Tiefgaragen. Die Polizei hatte sie, wie berichtet, zugleich als wahre Hindernisse bei Razzien bezeichnet: Manche Tiefgaragen seien weitläufig miteinander verbunden, sodass Tatverdächtige leicht fliehen könnten. Jobst selbst weiß von solchen Problemen nichts: „Da müsste der Projektbeirat wohl mal mit der Polizei drüber sprechen.“

Weiter keine Investitionen in Tiefgaragen

Eine (bereits durchgeführte) Maßnahme sei, die Tiefgaragen zu verschließen. Alte Pläne, sie umzubauen, zum Beispiel zu offenen Freizeitstätten, hätten sich wohl zerschlagen, befürchtet Jobst. Jedenfalls sieht er bei der Vonovia diesbezüglich keine Bereitschaft, in die Tiefgaragen zu investieren. Die Wohnungsgesellschaft wollte sich nicht näher dazu äußern und sagte nur: „Die Tiefgaragen sind nur für die Mieter der Stellplätze zugänglich. Wir sind zurzeit im Rahmen des Programms “Soziale Stadt„ in Abstimmung mit der Polizei für verschiedene Maßnahmen.“ Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Bonner Mieterbunds, wirft der Vonovia vor, nichts zu tun, aber weiter von den Mietern die Miete für die Stellplätze zu kassieren.

Dafür tut sich etwas bei anderen Angst-Räumen im Viertel. Unübersichtliche und abends besonders dunkle Ecken sind vielfach umgestaltet worden, wie eine GA-Recherche ergab. Auch wenn sich Detmar Jobst den Unkenrufen der Polizei vor einem weiteren sozialen Abgleiten des Stadtteils nicht anschließen will, appelliert er: „Die Gewährung der hohen Fördermittel heißt ja: Hängt diesen Stadtteil nicht ab. Lasst nicht zu, dass er zu einer No-Go-Area wird. Schaut hin, ob und wo sich ein krimineller Untergrund bildet.“

Diese Art des Hinschauens und das Vertiefen von Nachbarschaften sei auch Aufgabe des schon länger tätigen Quartiersbüros, das jetzt im Chemnitzer Weg 3 sitzt. Dort sei unter anderem ein Verfügungsfonds für nachbarschaftliche Projekte in Höhe von 50 000 Euro angesiedelt, „der gerne von aktiven Neu-Tannenbuschern in Anspruch genommen wird“, sagt Jobst. Ein zusätzlicher millionenschwerer Schub für ein soziales Miteinander werde durch Mittel des Europäischen Sozialfonds in Aussicht gestellt: Die Bewerbung für das Projekt „Starke Quartiere, starke Menschen“ laufe an, so Jobst. „Sicherheit gegen Terrorismuskeime wird dadurch nicht garantiert, es kann ihnen aber den Boden entziehen helfen.“

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