Bilanz der vergangenen fünf Jahre Die Bonner Jamaika-Koalition im Faktencheck

Analyse | Bonn · Was hat das Bonner Stadtratsbündnis aus CDU, Grünen und FDP in seiner Koalitionsvereinbarung 2014 angekündigt, was hat es seither beschlossen, und was wurde davon umgesetzt? Die Jamaika-Koalition im Faktencheck.

Das Stadthaus in Bonn.

Das Stadthaus in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Im Endeffekt werden es am 13. September die Wähler sein, die der Koalition aus CDU, FDP und Grünen nach deren fast sechsjähriger Zusammenarbeit im Stadtrat ein Zeugnis ausstellen. Die Redaktion des General-Anzeigers hat sich den Koalitionsvertrag von 2014 angeschaut und auf Erfolge und Fehlschläge untersucht. Zu Beginn jedes Absatzes findet sich der Originalwortlaut aus der Jamaika-Vereinbarung.

Innenstadt von Bonn als Wohnstandort

„Die Bonner Innenstadt soll als Wohnstandort mit hoher Verweilqualität (...) sowie mit hochklassigen Einzelhandelsangeboten und einer Vielzahl von Arbeitsplätzen weiterentwickelt werden“: Wohnraum in der Innenstadt bleibt Mangelware. Doch ist es gelungen, mit Maximiliancenter und Urban Soul den Bahnhofsvorplatz nach jahrzehntelanger Debatte zu bebauen. Allerdings schmerzen die hohen Residualkosten für das Nordfeld, in die Vertragsgestaltung waren die Fraktionen jedoch nicht involviert. Keinen Einfluss hat die Kommunalpolitik auf das Aus für Karstadt.

Fazit: Die alte Südüberbauung und das ungeliebte Bonner Loch sind Geschichte, das Kapitel Bahnhofsvorplatz fast abgeschlossen – auch wenn man über Architektur streiten kann.

Viktoriakarree in Bonn

„Das Viktoriakarree soll als Brücke von der Innenstadt zur Universität als Flaniermeile mit Aufenthaltsqualität ausgebaut werden“: Die Pläne für ein Einkaufszentrum scheiterten. Vorschläge einer Bürgerwerkstatt sehen nun unter anderem Wohnbebauung vor. Die Verwaltung erarbeitet derzeit entsprechende Planungen und verhandelt wieder mit der Uni, die Teile des Geländes nutzen könnte.

Fazit: Fünf Jahre nach dem Scheitern der Pläne für das Einkaufszentrum herrscht immer noch Stillstand.

OGS und Kita in Bonn

„Unser Ziel ist es, eine bedarfsgerechte Versorgung zu erreichen“: Die Versorgungsquote bei den Betreuungsplätzen in der Offenen Ganztagsschule bewegt sich auf die 70 Prozent-Marke zu. Damit liegt Bonn deutlich über dem NRW-Schnitt. Auch hat das Ratsbündnis den Ausbau der OGS-Plätze von 150 auf 300 Plätze pro Jahr beschlossen. Deutlich erhöht wurde auch die Zahl der Kita- und Tagespflegeplätze.

Fazit: Ihrem Ziel ist die Koalition ein großes Stück nähergekommen, dennoch deckt das Angebot noch nicht den Bedarf.

Radwege in Bonn

„Die Fahrradinfrastruktur (...) muss ausgebaut (...) werden“: Die Kaiserstraße hat eine Radspur, in der Sandkaule gibt es eine sogenannte Protected-Bike-Lane, vom ADFC vorgeschlagene Pendlerrouten sind beschlossen, auch gibt es einige Fahrradstraßen.

Fazit: Es mangelt an Mut, Radfahrern Vorrang zu gewähren – wie zuletzt das Hickhack um den Cityring zeigte. Das Ziel, 2020 „Fahrradhauptstadt“ zu werden, wurde komplett verfehlt. Ein Radwegenetz existiert in Bonn immer noch nicht.

Nahverkehr in Bonn

„Das Angebot im öffentlichen Nahverkehr ist weiter zu optimieren“: Das Bundesförderprogramm „Lead City“ hat mitgeholfen, das Angebot vieler Bus- und Bahnlinien durch Taktverdichtungen zu verbessern. Der Rat beschloss, die Ausdehnung bis Ende 2021 zu verlängern. Es gibt ein Fahrradmietsystem. Der Kauf neuer Straßenbahnen und Stadtbahnen ist entschieden. Infrastrukturprojekte wie eine geplante Seilbahn, die Westbahn oder die Gleisverlängerung bis Buschdorf werden diskutiert. Das Projekt Seilbahn sollte schon weiter sein.

Fazit: Verbesserungen wurden erreicht. Einen Ausbau der Infrastruktur nach Jahren des Stillstands wurde auf den Weg gebracht.

Schwimmbäder in Bonn

„Die Koalition ist sich einig, dass der Umfang der Wasserflächen und die Anzahl der städtischen Schwimmbäder (...) deutlich reduziert werden muss“: Die Karten wurden im Verlauf der Wahlperiode neu gemischt, nachdem der Plan, zwei Bäder zu schließen und eines neu zu bauen per Bürgerentscheid scheiterte. Die Zeichen stehen, nun mit Unterstützung der bisherigen Koalition, auf Erhalt oder Neubau von Hallen- und Freibädern in den Stadtbezirken. Vorangegangen war ein Bürgergutachten mit diesem Ergebnis.

Fazit: Ursprungsziel nicht erreicht.

Finanzen in Bonn

„Unser Ziel ist es, bis 2020 einen in Aufwand und Ertrag ausgeglichenen Ergebnishaushalt zu erreichen, den Anstieg der Kassenkredite so schnell wie möglich zu beenden“: Der Schuldenberg der Stadt Bonn ist seither weiter gewachsen und liegt inzwischen bei fast zwei Milliarden Euro. Der Anteil der Liquiditätskredite, mit denen die Stadt unter anderem ihre Personalkosten finanziert, ist weiter gestiegen und liegt mittlerweile bei 726 Millionen Euro. Noch mehr in die roten Zahlen gerät der Haushalt durch die Corona-Krise. Unklar ist, was der Bund dabei übernehmen wird.

Fazit: Der Koalition ist es nicht gelungen, wirksame Sparbeschlüsse zu fassen und umzusetzen, etwa beim Personal, bei Oper und Theater oder den Bädern.

Wohnungsbau in Bonn

„In Bonn streben wir (...) eine 30-Prozent-Quote von gefördertem Wohnungsbau an, um die Kosten der Unterkunft zu senken (...)“: Letztlich hat die Koalition 2017 eine 40-Prozent-Quote für geförderten und preisreduzierten Wohnraum bei Neubauten ab 24 Wohnungen beschlossen. Das Kapital der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Vebowag hat die Politik aufgestockt. Die Entscheidung, der Vebowag städtische Grundstücke zu günstigeren Preisen zu verkaufen, ist recht frisch und hätte früher kommen können. Wie schwierig es sein kann, (sozialen) Wohnungsbau umzusetzen, zeigt die aktuelle Kontroverse um die geplante Randbebauung des Melbbads.

Fazit: Man wird sehen, wie zielführend das sogenannte Bonner Baulandmodell funktioniert. Nicht gelungen ist es, die Kosten der Unterkunft zu senken, sie sind vielmehr gestiegen. Nicht zuletzt auch aufgrund der Unterbringung von Geflüchteten, deren Zahl mit der Flüchtlingswelle 2015 anstieg.

Klimaschutz in Bonn

„Kernstücke werden auch weiterhin der Masterplan Klimaschutz und das Integrierte Klimaschutzkonzept sein“: Die Koalition (auch Teile der Opposition) haben im vergangenen November beschlossen, die Stadt solle bis 2035 klimaneutral werden. Die Bürger sollen über die Art und Weise mitbestimmen, wie dieses Ziel am besten zu erreichen ist. Die Stadtwerke haben ihr Fernwärmenetz in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut, was ohnehin geplant war. Eher Schlusslicht im Vergleich zu anderen Städten ist die Stadt Bonn, wenn es um Flächen auf öffentlichen Gebäuden geht, die mit Solardächern ausgestattet sind. Nachdem sich nach langwieriger Prüfung das Städtische Gebäudemanagement geziert hatte, eigene Bestandsbauten mit Solaranlagen nachzurüsten, weil es nicht wirtschaftlich sei, haben sich nach erneutem politischen Beschluss die Stadtwerke als Betreiber bereit erklärt, die darin ein durchaus wirtschaftliches Unternehmen sehen.

Fazit: Licht und Schatten.

Interkommunale Planung in Bonn

„Eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung und Stadtplanung muss daher über die kommunalen Grenzen hinaus ausgerichtet sein. Um dies zu gewährleisten, streben CDU, Grüne und FDP eine enge Zusammenarbeit mit dem Rhein-Sieg-Kreis an und werden die gemeinsamen Beratungen der Planungs- und Verkehrsausschüsse der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises intensivieren“: Richtig ist, dass die Ausschüsse im mehrmonatigen gemeinsam Turnus tagen. Der Schwerpunkt liegt dort allerdings auf Verkehrsthemen. Es gibt die Bereitschaft der Stadt Bonn, mit den umliegenden Kommunen bei Wohnungsbau und Gewerbeflächen stärker zusammenzuarbeiten.

Fazit: Die Realität sieht anders aus: Bisher gibt es noch kein gemeinsam betriebenes Gewerbegebiet. Beim sozialen Wohnungsbau tun sich Umlandkommunen schwer. Wenn es ums Geld geht, stößt die Zusammenarbeit an Grenzen.

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