Zahl der Hartz-IV-Empfänger steigt Die Bonner Tafel stößt an ihre Grenzen

BONN · Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in Bonn steigt, aber der "Bonner Tafel" fehlen die Helfer für die Verteilung der Lebensmittel.

Die Erdbeeren sind von allerbester Qualität, zuckersüß und saftig. Gleich daneben steht eine Kiste mit knackig frischen Äpfeln. "Man kann sich gar nicht vorstellen, dass niemand solch gute Produkte kaufen will", schüttelt Marianne Baldus den Kopf.

Als Vorstandsmitglied der Bonner Tafel freut es sie allerdings ganz besonders, wenn erstklassige Produkte unter Bedürftigen verteilt werden können.

"Letzte Woche hatten wir sogar Spargel", erzählt sie. Auch Melonen, Bananen sowie Salat und Gemüse liegen regelmäßig in den Auslagen im Domizil des Vereins in der Mackestraße - Lebensmittel, die auf den Tisch und nicht auf den Kompost gehören. "Brücke zwischen Überfluss und Bedürftigkeit" hat sich die Initiative zum Motto gesetzt.

Für mehr als 500 Haushalte, insgesamt etwa 1000 Personen, ist die Bonner Tafel die einzige Möglichkeit, den Tisch trotz schmalem Budget halbwegs ausgewogen und abwechslungsreich zu decken.

Und die Nachfrage wird immer größer. Derzeit müssen neue Hilfesuchende jedoch abgewiesen werden. "Wir sind an die Grenzen unserer Kapazität gestoßen. Wir brauchen dringend Unterstützung", appelliert Marianne Baldus.

Momentan arbeiten 95 Ehrenamtliche bei der Bonner Tafel. Sie leisten pro Monat rund 1000 Arbeitsstunden. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 60 Jahren.

"Viele Helfer unterstützten uns nach ihrer Berufstätigkeit für ein paar Jahre. Doch nach einiger Zeit ist die Arbeit zu anstrengend für viele. Denn es müssen immer wieder Kisten geschleppt und gestapelt werden. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass uns immer wieder neue Ehrenamtliche unter die Arme greifen.

Schon wenige Stunden pro Woche würden uns helfen", sagt Baldus. Derzeit kann sie jede neue Hand gebrauchen.

Unterstützt werden jedoch nicht allein die registrierten Privathaushalte. Vielmehr erhalten zusätzlich rund 3300 Bedürftige Lebensmittel über diverse Einrichtungen wie Notunterkünfte oder Frauenhäuser. Außerdem steuern die Transporter der Tafel regelmäßig 28 Kinder- und Jugendeinrichtungen in sozialen Brennpunkten an, um Rohkost, Obst und Milchprodukte vorbeizubringen.

Während vor einigen Jahren jeder Lebensmittel bei der Bonner Tafel bekam, wurde das Verteilsystem 2004 geändert. "Wir hatten festgestellt, dass manche gleich verschiedene Ausgabestellen ansteuerten. Teilweise hatte sich ein regelrechter Tafeltourismus entwickelt", berichtet Baldus aus der Vergangenheit.

Seit einigen Jahren müssen die Kunden jedoch nachweisen, dass sie bedürftig sind. Erst nach Vorlage entsprechender Unterlagen der Sozialbehörden oder Rentenbescheinigungen werden nun Ausweise ausgestellt. "Nur so können wir die Lebensmittel wirklich fair verteilen." Aber, und darauf legt Marianne Baldus großen Wert: "In Notfällen helfen wir auch unbürokratisch und schnell."

Dass Brot von gestern, Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern, Milchprodukte mit kurzem Haltbarkeitsdatum natürlich noch verzehrt werden können, bezweifelt niemand.

Dennoch setzt die Tafel hohe Maßstäbe an die Qualität ihrer Waren. So achten die Mitarbeiter darauf, dass Kühlketten genauestens eingehalten wurden, das Mindesthaltbarkeitsdatum noch gilt, die Verpackung von Trockenware unbeschädigt und die Deckel von Konserven nicht gewölbt sind.

Aktuell besuchen meist Senioren, die von Altersarmut betroffen sind, alleinerziehende Mütter sowie kinderreiche Familien das Haus an der Mackestraße.

Kontakt: Telefon 0228/9 76 88 08, E-Mail bonnertafel@t-online.de

Verteilung pro Monat

Pro Monat verteilt die Bonner Tafel durchschnittlich zehn bis 15 Tonnen Obst und Gemüse, 3000 Brote, 10 000 Brötchen, 2000 Stück Gebäck, 1000 Kilogramm Feinkost/Milchprodukte, 1000 bis 3000 Kilogramm Konserven/Sonstiges. Um die Lebensmittel zu verteilen, sind die vier Fahrzeuge im Monat rund 4000 Kilometer unterwegs.

Hartz-IV-Empfänger in Bonn

Nur wirklich Bedürftige erhalten über die Tafel Lebensmittel. Dazu gehören auch Bezieher von Hartz IV. Auf die staatliche Unterstützung sind nach Angaben des Jobcenters in Bonn in den letzten Jahren immer mehr Menschen angewiesen. So stieg 2014 die Zahl der Bedarfsgemeinschaften (BG) - das kann ein Alleinstehender, aber auch eine Alleinerziehende mit Kind oder eine Familie sein - um 611 im Vergleich zum Vorjahr an. Derzeit beziehen 14 086 BG Hartz IV (valider Stand Februar 2015) - ein Höchststand in den letzten zehn Jahren. Hier die Angaben im Einzelnen: 2005: 12 422; 2006: 12 701; 2007: 12 863; 2008: 12 592; 2009: 12 960; 2010: 12 963; 2011: 12 521; 2012: 12 771; 2013: 13 222; 2014: 13 833.

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