In der Schuldenfalle, Teil 9 "Die Einschläge kommen näher"
BONN · Immer wieder gibt es Überlegungen, die Kammerspiele Bad Godesberg zu schließen. Mögliches Einsparpotenzial: 1,8 Millionen Euro.
Im Juli 2011 schrieb der Bonner Generalintendant Klaus Weise an Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch: "Sehr geehrter Herr Nimptsch, die von der Stadt beabsichtigte Reduktion des Zuschusses an das Theater in Höhe von 3,5 Millionen Euro ab der Spielzeit 2013/14 erachte ich für desaströs. Ich werde sie nicht mittragen und stehe für eine Verlängerung meines Vertrages über die Saison 2012/13 nicht zur Verfügung."
Zuvor hatte Weise Vorschläge mit einem Einsparpotenzial von knapp zwei Millionen Euro erarbeitet, um Reduzierungen beim Personal zu vermeiden. In seiner schriftlich fixierten Vision für das Theater Bonn ab 2013 wagte Weise auch ein Gedankenspiel: "Aufgabe der Kammerspiele & Verlagerung der Schauspielsparte in das Opernhaus und die Halle Beuel".
Eine Schließung der Bad Godesberger Spielstätte, in der die großen Produktionen des Theaters zur Aufführung kommen, hätte laut Weise bedeutendes Einsparpotenzial. Die Einsparsumme unter Beibehaltung der bisherigen Anzahl von Produktionen in Oper und Schauspiel läge bei 1,5 bis 1,8 Millionen Euro. Unter einer Voraussetzung - "wenn auch festes Personal gekündigt wird". Ohne Personalkürzungen würde sich das Einsparpotenzial auf 0,6 Millionen Euro verringern. Das Weise-Papier listete konkret auf, was mit der Aufgabe der Spielstätte Kammerspiele einzusparen sei:
- Sachkosten in Höhe von 619.432 Euro.
- Personalkosten in Höhe von 975.000 Euro.
- Davon: drei Mitarbeiter an den Abendkassen (150.000 Euro); 5,5 Mitarbeiter Abenddienst (275.000 Euro); acht Mitarbeiter Technik (400.000 Euro); drei Mitarbeiter Beleuchtung (150.000 Euro). Gesamt: 1.594.432 Euro.
Die langjährige Diskussion um eine Schließung der Kammerspiele ruft stets die Bürger auf den Plan. Das war 2006 so, als bereits über die Aufgabe der Bad Godesberger Spielstätte nachgedacht wurde. Die Parteien in Bad Godesberg, vor allem CDU und FDP, protestierten, und ein "Initiativkreis für die Kammerspiele" sammelte Unterschriften für den Fortbestand der Bühne ein. 30 000 Bürger machten mit. Sie schlossen sich der These an, dass eine Schließung der Kammerspiele einen "schwerwiegenden Verlust an ästhetischer Ausstrahlung und geistiger Substanz" bedeuten würde, wie es der Initiativkreis formulierte.
Fünf Jahre später, im Juli 2011, vergaben die aus dem Initiativkreis hervorgegangenen "Freunde der Kammerspiele e.V." ihren Theaterpreis Thespis an den Schauspieler Bernd Braun. Der Vereins-Vorsitzende Kurt P. Tudyka brach wieder eine Lanze für die Kammerspiele, und der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch erklärte: "Mit mir als Oberbürgermeister ist eine Schließung der Kammerspiele nicht verhandelbar."
Ein Jahr danach klang das schon weit weniger verbindlich. Nimptsch erklärte sich bei der Thespis-Feier 2012 bereit, "einen Schutzschirm für die Kammerspiele zu spannen, soweit das in meiner Macht steht". Der Oberbürgermeister bekam erneut einen bleibenden Eindruck davon, wie stark viele Menschen in Bad Godesberg an den Kammerspielen hängen. Eine Schließung "würde die in drei Jahrzehnten gewachsene Schauspielkultur zerstören", erklärte Kurt P. Tudyka. Bezirksbürgermeisterin Annette Schwolen-Flümann sagte: "Die Einschläge kommen näher. Unser Stadtbezirk darf nicht an den Rand gedrängt werden und müsste eine neue kulturelle Ausrichtung erhalten."
Das kürzlich vom Kulturdezernenten Martin Schumacher vorgestellte "Kulturkonzept für die Stadt Bonn 2012-2022" sieht eine zukünftige Verlagerung des Schauspiels in die Oper vor. Die Kammerspiele sollten einer "alternativen kulturellen Nutzung" zugeführt werden, zum Beispiel für freie Gruppen und Gastspiele. Die Kammer stünde dann nicht mehr unter der Regie der Stadt.