Arbeitsgericht in Bonn Die Gestapo folterte im Keller

BONN · Verschärfte Vernehmungen, Sonderbehandlungen, Haft sowie als Schlimmstes die Einlieferung in Hitlers Todeslager wurden in diesem gutbürgerlichen Gebäude verhängt, das - neu aufgebaut - seit 1953 das Arbeitsgericht Bonn beherbergt. So erklärt es ein frisch aufgelegtes Faltblatt der Stadt.

 Führt durch die alten Verliese unter dem Arbeitsgericht: Bernd Poll.

Führt durch die alten Verliese unter dem Arbeitsgericht: Bernd Poll.

Foto: Frommann

Die Vorladung ins Haus Kreuzbergweg 5 war unmissverständlich. Der Bürger habe sich am Montag, 10. Oktober 1938, um 10 Uhr in Zimmer 2 der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Bonn einzufinden, fordert das Dokument N 1985/1047 des Stadtarchivs Bonn. Post aus dieser Stelle des meistgehassten Terrorinstruments des Nazi-Reiches zu erhalten, dürfte bei den Angeschriebenen Tragödien ausgelöst haben. Viele von denen, die von Heinrich Himmlers Schergen vorgeladen wurden, dürften im Keller der Ex-Fabrikantenvilla die diversen Instrumente der Willkürherrschaft zu spüren bekommen haben.

"Diese Außendienststelle der Staatspolizeistelle Köln wurde Anfang April 1938 zur intensiveren Bekämpfung der Staatsfeinde durch Spezialbeamte eingerichtet", zitiert Bernd Poll, Geschäftsleiter des Arbeitsgerichts Bonn, aus einem der wenigen Dokumente, die es über Poppelsdorfs Gestapo überhaupt noch gibt.

Kurz bevor die Amerikaner am 7. März 1945 in Bonn einmarschierten, hatte die Gestapo ihre hiesigen Akten nämlich noch vollständig vernichtet. Poll führt durch den heutigen Archivkeller des Gerichts, also genau durch die vielen kleinen Räume, in denen damals auf 200 Quadratmetern die tage- oder wochenlang Inhaftierten wohl auch gefoltert, geschlagen und misshandelt wurden. "Obwohl wir das, wie gesagt, durch kein Dokument mehr beweisen können", bleibt der Jurist sachlich.

In einem der feuchten, von mehr als 60 Zentimeter dicken Backsteinmauern schalldicht isolierten dunklen Räume hängen sechs riesige, rostige Haken aus der Decke, die dem Betrachter das Blut in den Adern gefrieren lassen. Wozu die wohl dienten? "Das kann niemand mehr beantworten", zuckt Poll mit den Achseln.

Und zeigt Raum um Raum, Verlies um Verlies, zählt die Neuerungen korrekt auf, weist auf die Originalluken, von denen einige immer noch mit mächtigen Metallstäben verriegelt sind. "Da kam keiner mehr raus", nickt Poll, als er schwere Eisentore öffnet. Moderne Kabelstränge winden sich heute über dem nackten Mauerwerk, das damals die hier Eingeschlossenen Ewigkeiten lang angestarrt haben müssen. Er gehe hier seit vielen Dienstjahren ein und aus, sagt Poll nun. Er hat gerade für das Faltblatt akribisch Daten und Fakten gesammelt. Und führt Interessierte mit spürbarem Engagement durch die Verliese.

Wie etwa den alten Herrn, sicher einen der letzten Zeitzeugen, der in den 80er Jahren unbedingt noch einmal die tiefe steile Treppe hinunter zu seiner Folterstätte klettern wollte. Eine Nacht hätte ihn sich die Gestapo hier vorgenommen, habe der alte Mann erzählt. Auch den nachmaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer habe man hier im Keller des Kreuzbergwegs verhört, habe der Zeitzeuge behauptet.

"Kann niemand beweisen", kommt wieder trocken von Poll. Durch die Luken sieht man, wie sich draußen im herrlichen Garten die alten Kastanienbäume im Wind wiegen. Über wie viele hoffnungsfrohe Leben mag hier damals in den dunklen Zellen ohne jede gerichtliche Einspruchsmöglichkeit entschieden worden sein?

Wie viele Bonner wurden von hier aus als Gegner des "Dritten Reichs" in den Holocaust geschickt? Ehemalige Nachbarn hätten Schmerzensschreie aus den Luken dringen gehört, sagt Poll. Und auch nachdem ein Bombeneinschlag 1944 das Haus total zerstörte, hat die Gestapo in den Kellerverliesen ihr mörderisches Handwerk bis 1945 weiter betrieben.

Wilfried Löhr-Steinhaus steht draußen am Eingang des blau gestrichenen Hauses. Ja, im Ex-Gestapo-Keller liefen ihm schon immer mal wieder kalte Schauer über den Rücken, gibt der Amtsgerichtsdirektor auf Anfrage zu. Andererseits sei ja gerade das, was heute an diesem Ort geleistet werde, die beste Antwort auf die Vergangenheit. "Wir arbeiten hier heute nach bestem Wissen und Gewissen für die Justiz und die Gerechtigkeit."

Mehr zu Führungen gibt es unter der Telefonnummer 0228/98 56 90.

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