Ehrenbürger in Bonn Die Herren bleiben unter sich

BONN · In Bonn, aber auch in vielen anderen Städten wurde die höchste Auszeichnung bisher durchweg nur Männern zuteil. Politikerinnen zeigen sich erschreckt und beschämt.

 Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), aufgenommen in einer Gesprächsrunde am 19.01.2014 auf der Bühne bei einer Geburtstagsfeier für ihn im Thalia Theater in Hamburg.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD), aufgenommen in einer Gesprächsrunde am 19.01.2014 auf der Bühne bei einer Geburtstagsfeier für ihn im Thalia Theater in Hamburg.

Foto: picture alliance / dpa

Was haben die verstorbenen Bundeskanzler Ludwig Erhardt und Helmut Schmidt sowie Bonns Ex-Oberbürgermeister Hans Daniels gemeinsam? Sie gehören zum illustren Kreis der zwölf seit 1974 ernannten Ehrenbürger der Stadt Bonn. Sechs Bundespräsidenten, zwei weitere Bürgermeister und ein ehemaliger Stadtdirektor komplettieren das Dutzend derer, die sich „in herausragender Weise um die Stadt verdient gemacht haben“, so das wichtigste Kriterium. Die Bonner Ehrenbürger, das ist also eine reine Männerrunde. Und nur unter die drei Dutzend früherer Ehrenbürger von Ortsteilen haben sich vor vielen Jahrzehnten mal ganze zwei Frauen geschmuggelt: 1925 die Godesberger Studentenwirtin Aennchen Schumacher und 1927 die politisch später umstrittene Musikerin Elly Ney. Die früheren Orts-Ehrenbürger werden aber von der Stadt als Rechtsnachfolgerin gar nicht anerkannt. Sie werden auf der Liste der Ehrenbürger Bonns nur aus stadthistorischen Gründen aufgeführt.

Das angeblich schwache Geschlecht schwächelt also bei der Bonner Ehrenbürgerschaft auf ganzer Linie. Das tut es aber auch in anderen Städten und Kommunen. Wie kommt es überhaupt zur Auswahl? In Bonn könne jeder formlos Kandidaten, die noch leben, vorschlagen, so Stadtsprecherin Monika Hörig. Die Verwaltung prüfe die Eignung. Und der Stadtrat entscheide. Ihres Wissens habe der noch keinen Aspiranten abgelehnt oder einer lebenden Person die Ehre wieder aberkannt.

Stadtsprecherin: Keine Frage der Parität

Bei einem umstrittenen Verstorbenen unter den vor 1945 Bedachten wie Reichspräsident Paul von Hindenburg habe der Rat 2013 nur eine Distanzierung aussprechen können (der GA berichtete). Und warum ist bislang keine Frau in die Bonner Top Zwölf vorgedrungen? Das sei keine Frage der Parität oder Geschlechtergerechtigkeit, so Hörig. Die Verdienste müssten halt weit über das übliche Maß ehrenamtlichen oder sonstigen Engagements hinausgehen.

Und solche Verdienste hätte bislang keine Bonnerin gezeigt? Lokal- und Landespolitikerinnen reagieren bedauernd bis beschämt auf diese Frage. Erschreckend findet die SPD-Landtagsabgeordnete Renate Hendricks das Fehlen von Ehrenbürgerinnen. „Ist die Stadt in ihrem Geiste zu patriarchalisch oder nur zu nachlässig?“, fragt sie. Es sei Zeit, deutlich zu machen, dass Frauen sich mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar in manchen Bereichen besser als Männer für ihre Stadt einsetzten, argumentiert Hendricks. Bonn habe sowohl im Rat als auch in der Zivilgesellschaft und beim Bund sehr respektable Frauen.

Mehr Frauen für die Politik in Bonn gewinnen

Die Ehrenbürgerwürde werde unter Persönlichkeiten der Kommunal- und Bundespolitik verteilt, wo Frauen leider immer eher selten im Mandat gewesen seien, meint Julia Polley, Kreisvorsitzende der Frauen Union Bonn. „Mehr Frauen für die Politik in Bonn zu gewinnen, sie zu fördern und ihnen ein Forum zu geben, das ist für uns als Frauen Union zentrale Aufgabe“, so Polley. So werde sich hoffentlich auch die Ehrenbürgerriege Schritt für Schritt wandeln.

Annette Standop, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, glaubt, dass man sehr wohl Frauen auszeichnen könne, es müsse halt der politische Wille dazu bestehen. Und sie zählt sofort Kandidatinnen auf: Kanzlerin Angela Merkel habe ihre Bundeskarriere in Bonn gestartet, Christiana Figueres habe als Generalsekretärin des Sekretariats der UN-Klimarahmenkonvention Zeichen gesetzt. Leider sei versäumt worden, die inzwischen verstorbene Kanzlergattin Hannelore Kohl noch zu bedenken, deren ZNS-Stiftung für Verletzte mit Schäden des zentralen Nervensystems ja in Bonn angesiedelt sei. Als lokale Aspirantin nennt Standop Dorothee Pass-Weingartz, weil die über Jahrzehnte die Bonner Kinder- und Jugendpolitik geprägt habe.

Und auch Polley und Hendricks schlagen gerne und parteiübergreifend mögliche Ehrenbürgerinnen vor: Wie wäre es mit Ex-Bundesministerin Ursula Lehr (CDU), meinen beide unisono? Wie mit der ehemaligen EU-Politikerin Ruth Hieronymi (CDU), fragt Hendricks. Wie mit Kunstförderin Gisela Macke?

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