Amtsgericht in Bonn Die Strafe soll auf dem Fuße folgen

BONN · Kleinkriminelle müssen verstärkt damit rechnen, beim Bonner Amtsgericht in beschleunigten Verfahren verurteilt zu werden.

 Im Amtsgericht Bonn werden seit diesem Jahr klare, einfache und beweissichere Fälle schneller verhandelt.

Im Amtsgericht Bonn werden seit diesem Jahr klare, einfache und beweissichere Fälle schneller verhandelt.

Foto: Gustavo Sanchez

Als kürzlich ein ungarisches Paar abends in einem Kaufhaus in der City zwei teure Parfümflaschen blitzschnell in einer Tasche verschwinden ließ, wurde es beobachtet. Der Ladendetektiv behielt die beiden im Auge, und als sie das Geschäft ohne Umweg zur Kasse verließen, stellte er sie. Die Polizei nahm das Ehepaar ohne Wohnsitz in Deutschland mit zur Wache, wo es die Nacht verbringen musste. Und schon am nächsten Morgen landete das Paar vor dem Amtsgericht, wo die Strafe auf dem Fuße folgte: In einem beschleunigten Verfahren wurden sie zu Geldstrafen verurteilt.

Eine solche schnelle Aburteilung in einem sogenannten beschleunigten Verfahren findet in Bonn seit diesem Jahr verstärkt statt, um kleinere Straftaten zu ahnden. Zwar handelt es sich bei dieser Art des Strafverfahrens um ein "altes bewährtes Instrumentarium", wie die Direktorin und Sprecherin des Bonner Amtsgerichts, Birgit Niepmann, dem GA erklärte. Doch in Bonn habe es sich im Gegensatz zu Köln, wo sie früher als Richterin tätig war, nie so richtig etabliert. "Dabei waren die organisatorischen Voraussetzungen auch hier immer schon gegeben", versichert sie. So sei ein Sitzungssaal für diese Verfahren bereit gehalten worden, und die beiden Bonner Ermittlungsrichter hätten immer zur Verfügung gestanden, um im Bedarfsfall als Strafrichter ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen.

Und diese Richter kommen nun mehr zum Einsatz, nachdem sich auf Drängen der Polizei Ende vergangenen Jahres eine Arbeitsgruppe aus den Spitzen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht zu dem Thema zusammengefunden hat, um beschleunigte Verfahren zu befördern. Und, wie alle Seiten nun dem GA gegenüber versichern, mit Erfolg.

Die Polizei ist es, die sich wie im Fall des ertappten Diebespaares an die Staatsanwaltschaft wendet und ein beschleunigtes Verfahren vorschlägt. Und dann ist es an der Staatsanwaltschaft, beim Amtsgericht den entsprechenden Antrag zu stellen, um den Fall unverzüglich, möglichst noch am selben Tag, zu verhandeln. Doch zuvor muss der zuständige Amtsanwalt der Staatsanwaltschaft prüfen, ob sich der Fall überhaupt für ein beschleunigtes Verfahren eignet. Und eines ist dabei unerlässlich: Der Fall muss klar, einfach und beweissicher sein. Der Gesetzgeber hat in der Strafprozessordnung Paragraf 417 und folgende festgelegt, welche Voraussetzungen vorliegen müssen (siehe Infokasten "Richtlinien des Gesetzgebers").

In Bonn hat sich die Arbeitsgruppe laut Direktorin Niepmann darauf verständigt, vorrangig einfache und klare Fälle von Kleinkriminalität durch beschleunigte Verfahren zu verhandeln. Das ist zum Beispiel der Ladendieb, der auf frischer Tat ertappt wird, der kleine Betrüger oder der Schwarzfahrer, der erwischt wird.

Hat die Polizei in einem solchen Fall ein beschleunigtes Verfahren angeregt, prüft die Staatsanwaltschaft vor einem entsprechenden Antrag beim Amtsgericht, ob keine Gründe dagegen sprechen. Und solche Gründe gibt es häufig, wie Staatsanwaltschaftssprecherin Monika Volkhausen erklärt: So könne es sein, dass sich bei genauer Prüfung herausstellt, dass der vermeintlich kleine Dieb in Wahrheit Mitglied einer Bande ist. Oder aber ein schwer Drogenabhängiger, der medizinisch begutachtet werden muss. Und, was laut Volkhausen auch nicht selten vorkommt: Der Täter ist zu betrunken für eine Verhandlung. Tatsächlich, so erklärt Monika Volkhausen, bleiben bei genauerer Betrachtung nicht viele Fälle übrig, die sich für ein beschleunigtes Verfahren eignen.

Für die Richterschaft ist darüber hinaus laut Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann auch noch eines wichtig: Rechtsstaatliche Grundsätze dürften bei der Durchführung von beschleunigten Verfahren nicht verletzt werden: "Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, alles wird nur noch ratzfatz erledigt."

So achten zwar inzwischen auch in Bonn alle Seiten verstärkt darauf, ob bei einer Tat die Strafe auf dem Fuße folgen sollte. Und Polizeisprecher Robert Scholten erklärt: "Seit dem Einsatz der Arbeitsgruppe sind wir auf einem guten Weg." Aber auch die Bonner Polizei hat bisher nur neun Fälle als geeignet vorgeschlagen. Und in allen neun Fällen folgte die Strafe auf dem Fuße. Der neunte war der Fall des ungarischen Diebespaares.

Normen des Gesetzgebers

Das beschleunigte Verfahren ist nur gegen Erwachsene und Heranwachsende zulässig, nicht gegen Jugendliche. Bei Heranwachsenden kommt es nur in Betracht, wenn die zwingend vorgeschriebene Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe gewährleistet ist - w as in der Praxis jedoch nicht möglich ist. Es muss ein einfacher Sachverhalt vorliegen oder die Beweislage muss durch ein Geständnis oder sichere Beweismittel wie Zeugenaussagen klar sein . Im beschleunigten Verfahren darf nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden; allerdings ist auch der Entzug der Fahrerlaubnis zulässig. Besonders zu berücksichtigen ist, dass bei einer zu erwartenden Haftstrafe von mindestens sechs Monaten die Bestellung eines Verteidigers obligatorisch ist. Die Grundsätze eines fairen Verfahrens unter Wahrung der Rechte des Beschuldigten und der Verteidigung sind auch beim beschleunigten Verfahren zu beachten.

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