Bühnenjubiläum Die Wandlungen des Curt Delander aus Bonn

Bonn · Vor 50 Jahren steht der Altstädter Curt Delander erstmals als Travestiekünstler auf einer Bühne und verkörpert Zarah Leander.

 Curt Delander mit einem Kleid, das er in der Rolle als Zarah Leander trägt, in seiner Wohnung.

Curt Delander mit einem Kleid, das er in der Rolle als Zarah Leander trägt, in seiner Wohnung.

Foto: Benjamin Westhoff

Dies ist die Geschichte einer Wandlung. Oder mehr noch: vieler Wandlungen. Hineingestoßen ins Leben wurde Curt Delander 1950. Hineingeboren in eine Bonner Familie: der Vater Opernsänger, die Mutter Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. Das Künstlerische umgab den Jungen also von Beginn an. Ist es da ein Wunder, dass Delander vor 50 Jahren ebenfalls den Weg auf die Bühne fand? Als Schüler erledigte er seine Hausaufgaben, während die Schauspieler nebenan für Dramen probten. Da war das Leben, wohingegen im Tannenbusch, wo er aufwuchs, „nur Hasen zu finden waren und Ginster“, wie Delander zu erzählen weiß.

Er mag sich manches Mal einsam gefühlt haben. Ganz gewiss aber habe die häufige Abwesenheit der Eltern für Gastspiele „mir früh zur Selbstständigkeit verholfen“. Seine Homosexualität, von der er glaubt, die Eltern hätte sie früher als er erkannt, wurde ihm selbst im jugendlichen Alter gewahr. Er schwärmte für die hübsch anzusehenden Beatles, später für den Schwimmer Mark Spitz und den Schauspieler Burt Reynolds. Mit 18 Jahren dann der erste Freund Alfred, ein gebildeter Pianist, der manches Mal den singenden Vater am Klavier begleitete. Schwierig könnte diese Findung in den 60er Jahren gewesen sein. Doch Delander selbst sagt: „Ich habe nie gelitten. Dass ich ’ne Tunte bin, hat meine Eltern gar nicht erschüttert. Das kannten die ja vom Schauspiel.“

Ausbildung zum Dekorateur gemacht

Nach der Volksschule macht er eine Ausbildung zum Dekorateur beim Kaufhof. Zu seinem 20. Geburtstag beschließen er und die beiden Freunde Harry und Timmy ein Wagnis. Aus einer Laune heraus und auf Anregung des damaligen Wirts treten die drei in der Gaststätte Blockhütte an der Josefstraße nahe der Kennedybrücke in Frauenkleidern auf und singen playback Schlager. Der eine als Marilyn Monroe, der andere als Liza Minelli, Delander selbst als Zarah Leander. „Wir kamen uns wunderschön vor, aber die Gäste an diesem Abend haben sich zu Tode gelangweilt.“

Doch Kunst kommt von wollen. Und die drei wollten. Delander kündigte beim Kaufhof. Als Travestietruppe Crazy Boys tourte das Trio nicht ohne Erfolg durch ganz Deutschland, die Schweiz und Österreich. Delander hatte als Künstler seine Rolle gefunden, die der schwedischen Schauspielerin und Sängerin: elegantes langes Kleid, lockige Perücke, knallrote Lippen. Sie sollte ihn später ins Fernsehen führen und letztlich zur Gründung der Kleinkunstbühne Zarah L., die der Altstädter 15 Jahre an der Maxstraße leitete.

Zarah Leander persönlich kennengelernt

Schon als 13-Jähriger hatte er die Zarah auf der Bühne des Bürgervereins an der Poppelsdorfer Allee („Reinste Jugendstilvilla, die die Schweine einfach abgerissen haben“) live gesehen. Später lernte er die Grande Dame persönlich kennen und spricht heute noch von einer tiefen Freundschaft. 1981, als sie stirbt, fasst er allen Mut zusammen. Er beschließt, fortan aufs Playback zu verzichten und die eigenen Stimmbänder zu bemühen. „Kann denn Liebe Sünde sein“, „Nur nicht aus Liebe weinen“: All das kam nun wirklich aus ihm, dem Mann, der sagt: „Auf der Bühne bin ich Zarah, sonst der Curt.“

Überhaupt hat man bei Delander, der in einem geschmackvoll eingerichteten Appartement zwischen lauter alten Möbeln und Bildern seiner Idole von Johannes Heesters, Marika Rökk bis hin zu Konrad Adenauer lebt, dass er der Erinnerung breiten Raum gibt. Heute noch ruft er Schülern bei einem Projekt mit der Caritas die Geschichten der Vergangenheit ins Gedächtnis.

Als er das frühere Grundstück seiner Großmutter an der Vogtsgasse suchte und dabei den Abriss des früheren Beethoven-Hotels beobachtete, entdeckte er Überreste der alten Gertrudiskapelle. Mit Hilfe von Freunden schaffte er die Steine ins Frauenmuseum und fand zugleich seinen Weg zur katholischen Sankt-Petrus-Gemeinde. Der damalige Pfarrer Adolf predigte Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben. Papst Franziskus sprach von Respekt, Liebe und Menschlichkeit. Delander staunte über die Beweglichkeit, die er da wahrnahm. „Es war meine nächste große Wandlung.“

An diesem Samstag tritt Curt Delander bei einem Benefizkonzert zugunsten der Gertrudiskapelle im Frauenmuseum vor geladenem Publikum auf.

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