Aufgewachsen in Bonn Diese Benimmtipps gibt Ex-Botschafter Wolfgang Schultheiß

Bonn · Der frühere Diplomat Wolfgang Schultheiß ist in Bonn aufgewachsen und hat ein Buch über Umgangsformen geschrieben. Diese Benimmtipps gibt der Ex-Botschafter.

 Wolfgang Schultheiß (rechts) im Jahr 2005 mit dem italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi.

Wolfgang Schultheiß (rechts) im Jahr 2005 mit dem italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi.

Foto: Privat

Die Vita von Ex-Botschafter Wolfgang Schultheiß ist beachtlich: Der heute in Berlin lebende 74-Jährige kam 1951 nach Bonn, wo sein Vater im Innenministerium arbeitete. Nach dem Besuch der Martin-Luther-Schule und des Beethoven-Gymnasiums studierte er Jura in Bonn, Tübingen, Genf und an der University of Virginia in Charlottsville.

Nach dem Jurastudium war Schultheiß von 1974 bis 2010 im Auswärtigen Amt tätig. Von 2001 bis 2005 leitete er die Auslandsabteilung des Bundespräsidialamtes unter Johannes Rau („erfahrener Politiker“) und Horst Köhler („direkt und an Menschen interessiert“). Im Ausland war er als Botschafter in Santo Domingo (1986 bis 1989), als Gesandter in Kopenhagen (1992 bis 1996) und zuletzt als Botschafter in Athen (2005 bis 2010) tätig. An seine Zeit in Athen erinnert sich Schultheiß besonders gerne: „Die Griechen sind herzliche, gastfreundliche und hart arbeitende Menschen. Als große Individualisten arbeiten sie allerdings für sich selbst und nicht für den Staat.“

In seinem Buch „Umgangsformen. Protokoll und Etikette. Privat und Beruf“ zieht er auf über 400 Seiten die Summe seiner Erfahrungen aus seiner jahrzehntelangen beruflichen Tätigkeit und gibt alltagstaugliche Ratschläge zu Themen wie Kleidung, Tischmanieren und den Umgang mit dem Handy.

„Flächendeckend“ verletzt werden heute laut Schultheiß die Regeln des Respekts und der Höflichkeit im öffentlichen Nahverkehr. Für Ältere in der Straßenbahn, U-Bahn und Bus aufzustehen, sei ein Akt der Höflichkeit, der in Deutschland bis auf minimale Restbestände nicht mehr in Gebrauch sei. Nach den Erfahrungen des ehemaligen Diplomaten sind es vor allem Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund, die aufstehen oder ihre Kinder bitten aufzustehen, um Älteren oder Behinderten Platz zu machen. „In ihrem Kulturkreis wird das offensichtlich mehr gepflegt als bei uns.“ Der öffentliche Nahverkehr sei auch der Bereich, wo man seine Umwelt besonders nachhaltig verärgern könne. „Das Handy ist kein Megafon. Die Vertraulichkeit einer Nachricht ist schnell dahin, wenn sie im Bus herausposaunt wird.“ Auch seien die Sitznachbarn in der Straßenbahn an Beziehungsproblemen und den Lieferschwierigkeiten einer Firma nur in den seltensten Fällen interessiert.

Werde man angerufen, solle man sich mit leiser Stimme auf die notwendigsten Informationen beschränken. Die beste Reaktion: „Ich rufe zurück.“ Auch in Gesellschaft anderer eine Textnachricht zu lesen oder zu schreiben, ist für den Ex-Botschafter ebenso ungehörig wie in ihrer Gegenwart zu telefonieren. Zu einem gepflegten Auftreten zählt der ehemalige Bonner das routinemäßige Benutzen von Parfüm und Rasierwasser und den Verzicht auf Kaugummikauen bei einer Besprechung. Bei Tätowierungen wandle sich die Akzeptanz. Nach wie vor sei aber davon abzuraten, mit einem voll tätowierten Arm bei einem Bewerbungsgespräch in einer Bank anzutreten.

Als völlig inakzeptabel bezeichnet Schultheiß zerrissene Jeans bei Frauen und Hosen bei Männern, die bis weit über das Hinterteil rutschen. Und die Krawatte? „Auf dem Rückzug, aber nicht aus dem Feld zu schlagen.“ Als Diplomat habe er immer eine Krawatte getragen, selbst bei der größten Hitze. Die Krawatte sollte mit der Spitze gerade zum Gürtel reichen, auf keinen Fall dürfe sie wie bei Donald Trump irgendwo zwischen den Beinen baumeln. Schultheiß weiß viele amüsante und interessante Anekdoten aus seinem langjährigen Diplomatenleben zu erzählen.

Ein Fauxpas beim Protokoll sei verzeihlich, schlimmer seien Rücksichtslosigkeiten und Affronts. Im Kreml ist er mal bei Tisch neben Michail Gorbatschow platziert worden. „Das muss für den Staatspräsidenten der Sowjetunion eine Herabwürdigung gewesen sein, weil ich protokollarisch weit unter ihm stehe.“ Das Protokoll muss Sicherheit geben.

Wer als Botschafter weiß, wann er an der Reihe ist, begeht keine Fehler. Wer daran rüttelt, verstößt gegen die Etikette. Das Wort „étiquette“ bezeichnete ursprünglich kleine angeheftete Zettel, die am Hofe des französischen Königs den Rang verrieten.

Warum ist der ehemalige Bonner Diplomat geworden? Die verblüffende Antwort kommt schnell: Karl Mays Orient-Romane mit dem Begleiter Kara Ben Nemsi auf dessen Reisen hätten in ihm schon früh das Interesse für ferne Länder und Kulturen geweckt. Diplomatie habe zudem viel mit guten Umgangsformen zu tun: „Und in beiden Fällen geht es darum, Konfliktpotenziale zu entschärfen.“

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