Briefwähler im Ausland Diese Bonner nehmen ihr Wahlrecht im Ausland wahr

Bonn · Bonner, die im Ausland leben, müssen nicht auf die Bundestagswahl verzichten. Fünf von ihnen hat der General-Anzeiger kontaktiert. Sie erzählen, warum sie immer noch in Deutschland wählen und was das Wahlrecht für sie bedeutet.

Deutsche, die außerhalb der Bundesrepublik leben und in ihrer Heimat nicht für eine Wohnung gemeldet sind, können sich auf förmlichen Antrag und mit einer eidesstattlichen Versicherung in das Wählerverzeichnis eintragen lassen. Für die Bundestagswahl an diesem Sonntag haben das 1495 Bonner gemacht.

Linus Bauer (31) ist Manager bei einer Schweizer Fluggesellschaft und lebt seit zwei Jahren in Bern. Beruflich bedingt reist er um die ganze Welt und verbringt viel Zeit im Flugzeug. Nebenbei studiert er Business Administration in London, Frankfurt, Bahrain und Dubai. „Ich fühle mich auf der ganzen Welt zu Hause, auch wenn es in Bonn immer wieder am schönsten ist“, erzählt Bauer.

Sein Aufenthalt in der Schweiz dauert bereits länger als die bisherigen in anderen Ländern. Was danach kommt, weiß er nicht. „Die Zukunft kann noch voller Überraschungen sein, vor allem, wenn man in der Luftfahrtbranche tätig ist.“ Trotzdem: „Ein wahrer Bönnsche Jung kann seine Residenz in Bonn gar nicht aufgeben“, erzählt er. Da dort ein Teil seiner Familie lebt, fühlt Bauer sich in der Verantwortung, bei jeder Landtags- und Bundestagswahl seine Stimme abzugeben.

„Von den Wahlen profitieren vor allem unsere zukünftigen Generationen.“ Deshalb verfolgt er die Entwicklung der ehemaligen Bundeshauptstadt mit großem Interesse. Bonn stehe auch vor vielen demografischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen. „Es ist schon sehr lange her, dass eine Bundestagswahl wie in diesem Jahr von so hoher Bedeutung war.“ Bauer wählt aus Überzeugung. „Das Wahlrecht ist ein Privileg für die Menschen, die in einer Demokratie leben und auch die demokratischen Werte leben.“

Er übt aber auch Kritik an der Wahl für im Ausland lebende Deutsche, die ausschließlich per Briefwahl möglich ist. „Es ist die Zeit gekommen, diesen Vorgang zu digitalisieren.“ Dann könne der deutsche Wahlberechtigte auch von den Fidschi-Inseln aus problemlos und ohne bürokratischen Aufwand seine Stimme abgeben.

Alexander Block (29) ist Doktorand am Forschungsinstitut für photonische Wissenschaften ICFO im spanischen Barcelona. In Bonn hat er fünf Jahre Physik lang studiert. Zudem war er Trainer beim Kunstturnen im Hochschulsport und trat als Akrobat in der Oper auf. In Barcelona versucht er nun schon seit drei Jahren mit modernen Lasern sichtbar zu machen, wie sich Licht durch Materie ausbreitet. „Ich habe keine festen Pläne für die Zeit danach, habe aber nicht unbedingt vor, sofort nach Deutschland zurückzukehren.“

Seitdem er wahlberichtigt ist, hat Block an jeder Wahl teilgenommen. „Weil ich meine Stimme nutzen möchte, um Einfluss auf eine Politik zu nehmen, egal ob ich selbst direkt von ihr beeinflusst werde oder nicht“, erklärt er. Obwohl er im Moment nicht weiß, ob, und falls ja, wann er wieder in Deutschland leben wird, will er, dass die Politik nach seiner Ideologie gestaltet wird. „Außerdem ist eine Stimme in Deutschland auch eine Stimme in Europa, in dem ich mich ja noch befinde.“

Silvia Schmid (47) ist Deutschlehrerin in Eriwan, der Hauptstadt Armeniens. Sie hat 20 Jahre lang für den Deutschen akademischen Austauschdienst (DAAD) in Bonn gearbeitet. „Dann wollte ich ganz neue Lebenserfahrungen machen, aber auch die Perspektive haben, wieder nach Bonn zurückzukommen.“ Das DAAD-Informationszentrum in Eriwan, das sie noch bis Juli leiten wird, bot sich da als Station an. Zudem lehrt sie Deutsch an der staatlichen Universität.

In Bonn war sie schon einmal Wahlhelferin. Im Mai erhielt sie eine E-Mail von der Deutschen Botschaft in Eriwan, die den Auslandsdeutschen das Verfahren mit der Registrierung in der Briefwahl erklärt hat.

Warum ihr das Wahlrecht so viel bedeutet? „Seit ich in einem Land lebe, in dem Demokratie und Wahlen nicht so funktionieren wie zu Hause, weiß ich mein Wahlrecht noch mehr zu schätzen als früher“, sagt Schmid.

Ivo Schmidt (39) ist Beamter bei der Europäischen Kommission in Brüssel und lebt dort mit seiner Familie. Der gebürtige Bonner zog zunächst als Kind mit seinen Eltern aus seiner Heimatstadt weg. Nach dem Schulabschluss ging es dann zum Studieren nach Großbritannien, Frankreich und Belgien. „Die Wahl bedeutet mir sehr viel. Vor allem weil heutzutage Populismus und Fake News das Geschehen in mehr als einem Land auf der Welt und sogar in Europa bestimmen“, sagt Schmidt.

Nathan Peres (35) ist Doktorand an der Pariser Sorbonne, in Bonn und Florenz. Aktuell arbeitet er als Forschungsassistent für ein Forschungszentrum in Jerusalem. Ursprünglich stammt er aus München, lebte aber schon in vielen Städten Deutschlands. „In Bonn habe ich kurz studiert und das ist mein letzter gemeldeter Wohnort in Deutschland“, sagt Peres.

Da er seine Doktorarbeit auf Französisch schreibt, hat er sich dazu entschlossen, in Frankreich zu leben. „Ich denke, es wird ein sehr, sehr langer Aufenthalt“, sagt Peres. Bis jetzt hat er nicht die Absicht, langfristig nach Deutschland zurückzukehren. „Ich bin sehr glücklich im europäischen Ausland und würde mich freuen, wenn ich hier etwas aufbauen könnte.“

Das Wahlrecht bedeutet ihm „sehr viel“, weil es ein Privileg und eine Ehre sei, den Werdegang eines ganzen Staates mitbestimmen zu können. „Es ist auch eine große Verantwortung zu zeigen, dass wir uns als Bürger aktiv einbringen.“ Die Politik in Deutschland verfolgt er jedoch nur noch auf nationaler Ebene und weiß wenig darüber, was auf Länderebene passiert. „Zudem sehe ich das Ganze aus der Perspektive der französischen Presse.Das gibt mir aber auch eine gewisse Distanz und Unaufgeregtheit.“

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