Kurios und selten Dieser Trödelmarkt in Bonn ist ein echter Geheimtipp

Bonn · Kaum jemand kennt die Antik- und Trödelfabrik gegenüber dem Biskuithallen-Flohmarkt in Bonn. Dabei hat sich dort schon seit Jahren zwischen Autohändlern und Brachlandschaft eine beachtliche Szene etabliert.

 Auch Guido Stuckmann ist immer auf der Suche nach dem Raren, was zu Barem gemacht werden könnte.

Auch Guido Stuckmann ist immer auf der Suche nach dem Raren, was zu Barem gemacht werden könnte.

Foto: Stefan Hermes

Es bedarf schon eines unbedingten Wunsches, die Trödelfabrik an der Siemensstraße 25 in Bonn zu besuchen. Kaum jemand entdeckt sie durch Zufall. Nur ein schmaler Weg führt zwischen Autohändlern und Brachlandschaft auf das ehemalige Fabrikgelände der Firma Wilke Säurebau, die 2002 den Betrieb eingestellt hatte. Alte Werbetafeln erinnern noch an die Zeit. Neben dem Baugelände der Bonner Westside ist es bisher vor allem der samstägliche Flohmarkt an der Biskuithalle, der die Aufmerksamkeit der Trödler auf sich zieht. Während dort lautstark im Trubel gefeilscht wird, lassen sich nur knappe 150 Meter gegenüber in aller Ruhe Skurriles und Erlesenes, Trödel und Alltägliches aus vergangenen Zeiten entdecken, die von den rund zehn Anbietern der Trödelfabrik in einzelnen Räumen und Fluren der ehemaligen Kunststofffabrik in liebevoll geordnetem Chaos präsentiert werden.

Trödler verkaufen draußen und in den Fluren

Mit dem Abriss der sogenannten Blauen Halle hinter der Bundeskunsthalle verlor Bonn 2011 eine lange Jahre als „Geheimtipp“ gehandelte Adresse für die Sammler und Jäger von ausgefallenem Trödel. Zur selben Zeit drohten die Fabrik- und Nebengebäude von Wilke an der Siemenstraße zu verkommen. Erst als ein neuer Eigentümer das Gelände erwarb, stoppte der Verfall. Mit viel Engagement wurde es mit neuem Leben gefüllt. Neben einer Eventlocation, einer Kaffeerösterei und einem Gitarrenbauer haben dort nun Trödler eine feste Bleibe, und die Fabrik hat damit ihren Namen gefunden: „Antik & Trödelfabrik“ ist in rostiger Schreibschrift über dem Eingang zu lesen.

Darunter haben es sich einige Besucher in den Gartenstühlen des Fabrikcafés bequem gemacht, während Heinz Engler daneben einige Kartons mit Briefmarkenalben vor dem Eingang aufgebaut hat. „Bei schönem Wetter stelle ich mich lieber hier draußen hin“, sagt der pensionierte Holzkaufmann, der die Leidenschaft zum Briefmarkensammeln von Vater und Großvater geerbt hat. „Das macht ja heute kaum noch jemand.“ Er ist davon überzeugt, dass Briefmarkensammeln schlau macht.

„Da lernt man was über die Welt und die politischen Verhältnisse“, sagt der Bonner und schwärmt über die gedanklichen Weltreisen, die Philatelisten mit ihrem Hobby unternehmen können. Hunderte Alben und Bücher warten bei ihm darauf, entdeckt zu werden. Auch manche jungen Leute würden heute noch sammeln, doch die kauften meist im Internet und gäben dort viel zu viel Geld aus. „Im Prinzip geht es mit dem Sammeln den Berg runter. Die Philatelie stirbt aus.“

Die "Trüffel" der Haushaltsauflösungen

Ganz anders sieht es dagegen bei Guido Stuckmann aus. Bei ihm finden sich die „Trüffel“ aus Haushalts- und Gewerbeauflösungen, die anscheinend immer noch Überraschendes zutage bringen. Unter dem ausgestellten Druckzylinder einer General-Anzeiger-Titelseite von 1980 finden sich historische Plakate, rare Designerware sowie fragwürdige Preziosen aus allen Epochen.

Auf ihren Echtgold-Schmuck mit Aquamarinen oder Graniten vom Jugendstil bis heute ist Eva-Maria Kolfenbach besonders stolz. Mit Marianne Heidrichs verkauft sie von Kleidung über Haushaltswaren bis zu besagtem Schmuck alles zugunsten vom Katzenschutz Bonn/Rhein-Sieg. „Wir haben Tierarztrechnungen, die übersteigen jedes Jahr eine hohe sechsstellige Summe“, so Kolfenbach. Tierschutz sei teuer und die Einnahmen aus den Verkäufen sehr hilfreich.

Nebenan repariert Ronny Computer und rüstet sie auf. „Damals in der Blauen Halle“, erzählt er, „da konnte ich noch in großem Stil PCs aus Büros aufkaufen und sie überholt für wenig Geld an Studenten abgeben.“ Das habe sich inzwischen geändert. Heute seien es vor allem Jugendliche, die bei ihm preiswert Hardware für ihre Spielecomputer kauften.

Trödel als Sparanlage

Damit sich seine Töchter Geraldine (6) und Joleen (4) eines Tages auch „etwas leisten können“, hat sich Sascha Welsch in einem Raum der Trödelfabrik eingerichtet und verkauft alles, was ihm Familie und Freunde zuspielen, um es seinen Töchtern auf ein Sparbuch zu überweisen. „Da kommt ganz schön was zusammen“, schmunzelt der Vater zufrieden, der ansonsten als Hausmeister im Seniorenheim Elim arbeitet. „Ordentlich Umsatz“ macht Jürgen Kamm nach eigener Aussage vor allem auf dem Rheinauenflohmarkt.

Seit zwei Jahren restauriert der Softwareentwickler Lampen, Uhren, analoge Fotoapparate und Kaffeemühlen. „Die Leute benutzen die alten Kaffeemühlen gerne als Getreidemühlen, machen damit aber das Mahlwerk kaputt“, erzählt Kamm, der seine Mühlen liebevoll bis ins Detail hinein restauriert. Genauso, wie er den antiken Lampen neues Leben durch moderne Verkabelungen einhaucht oder inzwischen auch gelernt hat, seine unzähligen Wand- und Küchenuhren selbst zu reparieren.

Info:Die Antik & Trödelfabrik ist jeden Samstag von 9 bis 16 Uhr geöffnet, Siemensstraße 25, troedelfabrik.de.

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