Trockenlegung des Bonner Lochs Diskussion um Verlängerung des Alkoholverbots

BONN · Fred hat es sich gemütlich gemacht. Er hat sich Bier gekauft und genießt die warme Frühlingsluft. Seit einiger Zeit macht er eine Substitutionstherapie. "Das ist ganz schön hart. Da kann ich nicht auch noch auf Alkohol verzichten", erzählt er.

Regelmäßig kommt er zum Szenetreffpunkt am Busbahnhof. Dort erlebt er so etwas wie Gemeinschaft. "Nee, von mir aus kann alles so bleiben. Ich muss nicht zurück ins Loch", meint Fred.

Auch Stephanie van den Broek und Elena Susewind sind mit der momentanen Situation zufrieden. Die beiden Streetworker sind täglich am ZOB unterwegs und kennen fast jeden dort. Ginge es nach ihnen, dann dürfte auch in Zukunft kein Alkohol am Bonner Loch getrunken werden. "Wir haben in den letzten Jahren durchweg positive Erfahrungen gemacht", so Susewind.

War die Szene früher verstreut und aufgesplittert, konzentriere sie sich jetzt auf einen überschaubaren Raum. "Wir wissen jetzt genau, wo wir die Betroffenen antreffen und können so gezielter arbeiten." Eine Verbesserung der Situation sei jedoch nicht allein durch die Verordnung, sondern durch zusätzliche soziale Begleitmaßnahmen möglich geworden.

"Alkoholkonsumverbot" gilt seit 2008

Seit Juli 2008 gilt im Bonner Loch ein "Alkoholkonsumverbot". Damals war das Areal Aufenthaltsort für Suchtkranke, die sich aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation nicht wieder integrieren ließen. Unter ihnen Alkohol- und Opiatabhängige, Dealer und junge Suchtmittelkonsumenten. Die damals erlassene Verordnung läuft am 30. Juni aus. Jetzt muss der Rat der Stadt Bonn in seiner Sitzung am 18. Juni über eine Verlängerung beraten.

Entscheidungshilfe bekommt die Politik von der Koordinierungsgruppe. Unter dem Titel "Bonner Wege aus dem Bonner Loch" (siehe Kasten) haben Vertreter von Ordnungsbehörde, Polizei und Sozialarbeit die Situation rund um den Bahnhof und an den bekannten Szenetreffpunkten untersucht. Ihr Fazit: "Das Alkoholkonsumverbot trägt dazu bei, die offene Drogenszene am Bonner Hauptbahnhof mit den bekannten negativen Auswirkungen einzudämmen.

Eindämmung der offenen Drogenszene

Mit der koordinierten Zusammenarbeit von Wohnungslosenhilfe, Suchtkrankenhilfe, Ordnungsamt und Polizei ist es gelungen, eine Gesamtsituation herzustellen, mit der soziale Konflikte reduziert werden. Die vernetzten Hilfen bewirken eine optimierte Erreichbarkeit und eine Verbesserung der Lebenssituationen der Betroffenen." Gleichzeitig habe das Verbot wirksam zur Eindämmung der offenen Drogenszene am Bonner Hauptbahnhof beigetragen. Deshalb sei es sinnvoll, dass Konsumverbot fortzusetzen.

Obwohl am Anfang eher skeptisch, hat sich auch der Verein für Gefährdetenhilfe mit dem Alkoholkonsumverbot arrangiert. "Am Anfang haben wir diese Regelung schon sehr kritisch beobachtet", gesteht VfG-Geschäftsführerin Nelly Grunwald. "Denn nur mit Verboten lassen sich Probleme nicht lösen."

Status quo soll erhalten bleiben

Doch durch die Hilfsangebote habe sich die Regelung bewährt. Mehr Streetworker vor Ort sowie längere Öffnungszeiten der Anlaufstellen des VfG in der Quantiusstraße sowie des Prälat-Scheich-Hauses am Alten Friedhof hätten dazu beigetragen. Trotzdem wird sie wütend, wenn's ums Thema Alkohol im Bonner Loch geht. "Es macht ich rasend, wenn ich sehe, wie dort Gewinn mit der Krankheit unserer Klienten gemacht wird." Denn die Kioskbesitzer würden ihren Umsatz fast ausschließlich über den Verkauf von Billigbier erwirtschaften. "Wir versuchen mit allen Mitteln, den Betroffenen zu helfen, und die denken nur an ihren Profit."

Auch die Bonner Polizei plädiert dafür, den Status quo zu erhalten. "Dadurch ist die Szene gut kontrollierbar und das Angebot zur Hilfe kann besser gesteuert werden", so Robert Scholten. Außerdem habe sich seit der Einführung des Konsumverbots die Zahl der Beschwerden von Bürgern erheblich reduziert.

Das sagen die Ratsfraktionen

Klaus-Peter Gilles, CDU:

"Der Bericht der Koordinierungsgruppe bestärkt uns in der Richtigkeit dieser Maßnahme, die die Verhältnisse am Eingangstor der Stadt vom Hauptbahnhof kommend nachhaltig und deutlich verbessert hat. Der Bereich ist mit dem Verbot erheblich weniger durch Alkoholvorfälle frequentiert und für die Szene deutlich unattraktiver geworden. Und was viel wichtiger ist: für Besucher Bonns nicht mehr ein optischer Schandfleck."

Angelika Esch, SPD:

"Wir unterstützen die Weiterführung des Alkoholkonsumverbots. Die Erfahrungen seit dessen Einführung im Jahr 2008 sind gut. Wichtig ist uns aber, dass auch die sozialen Begleitmaßnahmen weitergeführt werden. Es darf uns nämlich nicht darum gehen, die Drogenabhängigen einfach aus dem Stadtbild zu drängen."

Annette Standop, Die Grünen:

"Wir halten es weiterhin für völlig unakzeptabel, dass abhängige und sozial schwache Menschen aus der Stadtgesellschaft ausgegrenzt werden. Wir werden aber einer Verlängerung des bestehenden Verbots zustimmen. Wir begründen dies mit den positiven Erfahrungen der freien Träger, die für uns aufgrund ihrer Nähe zur betroffenen Personengruppe maßgeblich sind. Die Bonner Grünen sind nicht einhellig dieser Meinung. Die Grüne Jugend distanziert sich ausdrücklich davon."

Werner Hümmrich, FDP:

"Eine Verlängerung des Alkoholverbotes wird von der FDP befürwortet. Die Maßnahme hat sich bewährt. Was hingegen seit Jahren immer wieder von uns gefordert wird, ist die Verlegung der Haltestelle des Flughafenbusses am ZOB. Es ist ein Unding, dass neu ankommende Gäste der Stadt - zukünftig noch zahlreicher durch viele Kongressteilnehmer - beim Ausstieg die direkt neben der Haltestelle befindliche 'Szene' als ersten Eindruck von Bonn bekommen."

Bernhard Wimmer, BBB:

"Die BBB-Fraktion hält es für zwingend geboten, das Alkoholverbot zu verlängern. Wir verlangen aber, dass der Geltungsbereich auch den ZOB umfasst. Insbesondere die Umgebung der Haltestelle des Flughafen-Busses ist zu einem zentralen Treffpunkt für Alkoholiker und Stadtstreicher geworden, die uns an dieser Stelle als Empfangskomitee für auswärtige Gäste völlig ungeeignet erscheinen."

Michael Faber, Die Linke:

"Aus Sicht der Linksfraktion ist das Alkoholverbot ein übermäßiger Eingriff in den öffentlichen Raum, der lediglich der Verdrängung von Suchtkranken und nicht erwünschten Personen dient. Bewährt haben sich die Hilfs- und Beratungsangebote - sie haben aber mit dem Verbot unmittelbar gar nichts zu tun. Das Verbot ist ein Akt der Selbsttäuschung: Es hilft keinem Suchtkranken, verdrängt an andere Orte und verhindert keine einzige Straftat."

Hans-Friedrich Rosendahl, AfD: "Das Alkoholverbot ist prinzipiell eine sinnvolle Maßnahme, um Verwahrlosungstendenzen entgegenzuwirken. Es ist zu überlegen, ob das Alkoholverbot im Bereich zwischen Thomastraße, Maximilianstraße, ZOB und Bahnhof weiter ausgedehnt werden könnte."

Die aktuelle Situation

Unter dem Titel "Bonner Wege aus dem Bonner Loch" hat die Koordinierungsgruppe einen Bericht über die aktuelle Situation erstellt. Hier einige Kernaussagen: Gegenwärtig halten sich am ZOB bis zu 50 Personen und am Gebäude der Stadtwerke an der Thomas-Mann-Straße bis zu 25 Personen auf. Zudem halten sich bis zu 60 Personen rund um den Hauptbahnhof auf, deren Lebenssituation durch Abhängigkeit und soziale Ausgrenzung geprägt ist. Darüber hinaus gibt es zwei kleinere Treffpunkte in der City mit 10 bis 15 Personen. Eine Szeneverlagerung nach Beuel oder zum Johanneskreuz war nicht von Dauer.

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