Beethoven-Preisverleihung Drohungen gegen Laudator Can Dündar

Bonn · Am Samstag wird der Beethovenpreis an den türkischen Pianisten Fazil Say überreicht, doch einer fehlt: sein Laudator. Der frühere Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, hat abgesagt. Wie Veranstalter Torsten Schreiber erklärte, „hat er das getan, weil er seinem Freund Say nicht die Schau stehlen wollte“.

 Can Dündar, der die Laudatio halten sollte, hat sein Erscheinen abgesagt.

Can Dündar, der die Laudatio halten sollte, hat sein Erscheinen abgesagt.

Foto: dpa

Das hätte durchaus passieren können. Denn allein die Ankündigung, dass der Journalist in Bonn reden will, hat auf der Facebook-Seite für den Beethovenpreis neben Stürmen der Entrüstung massive Drohungen bis hin zu Morddrohungen nach sich gezogen. Schreiber spricht von „weitreichenden, starken Reaktionen in Europa und der Türkei“. Die bedrohlichen Kommentare seien der Polizei übergeben und anschließend gelöscht worden.

Zum Hintergrund: Can Dündar ist in seiner Heimat einer der bekanntesten Journalisten. Er wurde offen angefeindet, vor allem seit er im vergangenen Jahr mit einem Kollegen über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes berichtete. Staatschef Recep Tayyip Erdogan bezichtigte ihn daraufhin des Hochverrats.

Dündar saß in Untersuchungshaft und lebt mittlerweile im Exil. Er prangert weiterhin Missstände in der Türkei an. Erst Anfang des Monats sagte er in einem Interview gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung: „Seit der Ausrufung des Ausnahmezustands gibt es keinen Rechtsstaat mehr in meinem Land und auch keine Garantie auf Sicherheit.“

Dass die Veranstalter vor den Drohungen eingeknickt seien, weist Torsten Schreiber weit von sich: „Wir hätten das durchgezogen, können aber gut verstehen, dass Herr Dündar den Preis selbst im Vordergrund sieht und nicht seine Person.“ Nun ist ersatzweise angedacht, dass bei der Preisverleihung um 17 Uhr in der Kreuzkirche Moderator Volker Michael ein Gespräch mit dem Pianisten „über dessen Auffassung von Musik und über den Dialog der Kulturen“ führen wird.

Fazil Say gilt selbst als Regierungskritiker. Als bekennender Atheist hat er Religionsvertreter in seiner Heimat nicht nur einmal verärgert. In der letzten Zeit hat er sich mit politischen Aussagen allerdings zurückgehalten.

Wie sehr seine Person in der Türkei polarisiert, zeigt ein Vorfall, der sich vor wenigen Tagen bei einem seiner Konzerte in Izmir zugetragen haben soll. Ein Mann aus dem Publikum soll versucht haben, Fazil Say mit einem Messer anzugreifen, konnte aber rechtzeitig überwältigt und festgenommen werden. Das berichteten dem General-Anzeiger unabhängig voneinander zwei Quellen, die allerdings anonym bleiben wollen. Die deutsche Agentin des Künstlers wollte den Angriff weder bestätigen noch dementieren. „Dazu sage ich nichts. Nur so viel: Herr Say wird am Samstag nach Bonn kommen.“

Auf Nachfrage bestätigte die Polizei, dass der Staatsschutz die Drohungen via Facebook ausgewertet habe: „Wir haben allerdings zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdungslage gesehen, auch nicht, bevor der Journalist abgesagt hatte“, sagte Polizeisprecher Robert Scholten.

Der mit 10.000 Euro dotierte Internationale Beethovenpreis wird in diesem Jahr zum zweiten Mal im Rahmen eines Benefizkonzerts verliehen. Es steht unter dem Motto: „Für Menschenrechte und Freiheit in der Türkei“, Schirmherr ist Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller. Im vergangenen Jahr hat der syrische Flüchtling Aeham Ahmad den Preis erhalten: Er hatte als Pianist in den Trümmern von Damaskus einige Bekanntheit erlangt.

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