Experiment auf dem Münsterplatz Ein Augen-Blick für mehr Verständnis

BONN · Augenblick mal! "Was soll ich machen?" Marlene Weiß betrachtet ungläubig das Spektakel auf dem Münsterplatz. "Ich soll jemandem, den ich nicht kenne, eine Minute lang in die Augen sehen?", fragt sie ungläubig nach. Eigentlich war sie nach der Arbeit nur in die Stadt gekommen, um nach neuen Stiefeln Ausschau zu halten. Doch plötzlich war sie Teil eines einzigartigen Experimentes.

 Sitzend oder stehend blicken sich die Teilnehmer auf dem Münsterplatz in die Augen.

Sitzend oder stehend blicken sich die Teilnehmer auf dem Münsterplatz in die Augen.

Foto: Barbara Frommann

"Wo ist die menschliche Verbindung hin? Nehmen Sie sich eine Minute Zeit und finden Sie es heraus", forderte Dorothée Hansen die 43-Jährige auf. Marlene Weiß zögerte nicht lange und ließ sich auf das Experiment ein - trotz des unfreundlichen Wetters. Sie stellte sich in einen Hula-Hoop-Reifen und blickte ihrem Gegenüber regungslos in die Pupillen.

Was geschieht, wenn Menschen mindestens eine Minute lang anderen tief in die Augen sehen? Das wollten am Donnerstag rund 45 000 Teilnehmer in mehr als 90 Städten rund um den Globus wissen. Zeitgleich wagten Passanten nicht nur in Bonn, sondern auch in Berlin, Hamburg, Antwerpen, Tel Aviv, Paris, Athen und Dutzenden weiteren Städten einen tiefen Blick.

110 000 Menschen in 157 Städten beteiligen sich

"Wenn wir einander in die Augen sehen, spielen Hautfarbe, Nationalität, Kultur, Tradition und Religionszugehörigkeit keine Rolle", erklärte Dorothée Hansen. Sie hatte die Bonner Aktion auf dem Münsterplatz für "Liberators International", einer in Australien ansässige Non-Profit-Organisation, arrangiert. Dort fand das Experiment im Frühjahr 2015 erstmals statt und breitete sich von dort rasant auf anderen Kontinenten aus. Bisher haben sich 110 000 Menschen in 157 Städten beteiligt.

"Augenkontakt ist universal und ermöglicht uns eine Verbindung über alle Sprachen hinweg. Tiefer, ehrlicher und offener Blickkontakt ist, ebenso wie Lächeln, eine der einfachsten Möglichkeiten, zu Verbindung, Vertrauen und Frieden beizutragen", so Dorothée Hansen. Mit der Aktion wolle man ein Zeichen des Friedens und der "menschlichen Verbindung" setzen.

"Eine einmalige Erfahrung."

Marlene Weiß hatte ihr Experiment mittlerweile beendet. "Das war wirklich eine einmalige Erfahrung. Das hätte ich nie gedacht", erzählte sie begeistert. "Ich habe sofort eine unbeschreibliche Wärme gespürt", ergänzte sie und beobachtete trotz des Nieselwetters andere Teilnehmer des Experiments. Für sie steht bereits jetzt fest: "Wenn die Aktion im Sommer noch einmal wiederholt wird, dann bin ich ganz bestimmt wieder dabei."

"Wir vermitteln den herzwärmenden Beweis, dass jenseits all unserer Unterschiede nur Liebe und Menschsein existieren. In die Augen eines anderen Wesens zu blicken, bringt uns zusammen und wir wollen herausfinden, ob das rund um unseren Planeten zutrifft", stellte Peter Sharp, der Begründer von Liberators International, die Intention vor.

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