Ein Bonner Garten wie im 19. Jahrhundert Ein Bauerngarten als Ort der Sehnsucht auf dem Venusberg

Venusberg · Für viele Städter ist ein Bauerngarten ein Ort der Sehnsucht. Den Bauergarten betreibt Heinz-Günter Radermacher am Haus der Natur auf dem Bonner Venusberg.

 Heinz-Günter Radermacher

Heinz-Günter Radermacher

Foto: Stefan Hermes

Etwas zaghaft kommt Andrea der Aufforderung von Heinz-Günter Radermacher nach, die rote Blüte der Kapuzinerkresse in den Mund zu nehmen. „Können Sie ruhig essen. Ist alles bio“, ermuntert der Mitarbeiter der Bonner Stadtförsterei die junge Besucherin des Bauerngartens am Haus der Natur, die nach einem Moment des Kauens angenehm überrascht feststellt: „Das schmeckt ja wie Rettich.“

Seit bald drei Jahren kümmert sich der 57-jährige Radermacher mit Hingabe um den etwa 100 Quadratmeter großen Bauerngarten. Nur an einigen Beeteinfassungen aus alten Feldbrandziegeln könnte ihm anzusehen sein, dass er bereits mehr als 20 Jahren existiert. Ansonsten sind die meisten Pflanzungen einjährig oder wechseln alljährlich die Beete und beginnen von Neuem.

„Der Kohl wächst kein zweites Jahr an der gleichen Stelle. Dafür zieht er zu viele Nährstoffe aus dem Boden“, erklärt Radermacher. „Da müssten wir düngen, was wir aber nicht tun. Also müssen wir die Beete wechseln.“

Er kennt jeden Zentimeter seines Vorzeigegartens und freut sich über das rege Interesse der vorbeikommenden Wald- und Spielplatzbesucher. „Hier ist eigentlich immer was los“, sagt er. „Viele Eltern kommen mit ihren Kindern und zeigen ihnen mal, wie eine Bohne oder eine Gurke wächst. Die kennen viele ja nur aus der Dose.“

Die meisten Besucher erfreuen sich jedoch vor allem an dem bunten Miteinander von Zier- und Nutzpflanzen. Vielen Städtern gilt ein Bauerngarten als ein Sehnsuchtsort: Schmale Wege, die von duftenden Kräutern, von Blüten sowie Obst- und Gemüsebeeten gesäumt und von Holzzäunen eingerahmt werden.

Bild einer "guten alten Zeit"

Ein Bauerngarten sollte für sie auch möglichst so aussehen, wie er in vielen Gemälden des 19. Jahrhunderts und aktuell wieder in den unzähligen Land-Magazinen als wild und romantisch dargestellt wird. Diese meist idealisierte Wildnis entsprach jedoch nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der damaligen Bauern, die ihre Gärten nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten vornehmlich mit Nutzpflanzen und weniger nach ästhetischen Prinzipien anlegten.

Der Bauerngarten am Haus der Natur entspricht dem romantischen Bild einer „guten alten Zeit“: Da wachsen Möhren unter Sonnenblumen oder Ringelblumen gedeihen unter dem Futtermais, auf den sich schon die Schweine im nahen Wildgehege freuen können. Da quaken kleine Frösche in dem Mini-Teich unter der Kräuterspirale und die Wildbienen und -wespen gehen im Bienenhotel ein und aus.

Die bunten Farben der blühenden Stauden, die weit über den Kompost hinausgreifenden Kürbisausleger, die sich im Wind beugenden meterhohen Sonnenblumen und die Hortensien, die in keinem Bauerngarten fehlen dürfen, erfreuen die Gartenfreunde, die sich immer auch gerne mal auf einen Plausch mit Radermacher treffen und manchmal auch den einen oder anderen Setzling miteinander austauschen.

Die feuchtwarme Witterung lässt im Moment alles üppig wachsen und blühen. Radermacher wird noch bis in den Herbst damit beschäftigt sein, den Pflanzen wieder Luft und Raum zu verschaffen. „Hier geschieht alles mit den Händen“, sagt der Gärtner und zieht dabei demonstrativ eine fette Schnecke mit zwei Fingern aus den Sprossen einer Fenchelknolle, um sie anschließend in hohem Bogen aus dem Schneckenparadies zu befördern.

Weder Fallen noch Gifte kommen in dem FSC-zertifizierten Garten zum Einsatz (FSC steht für „Forest Stewardship Council“ und ist ein internationales Zertifizierungssystem für die Waldwirtschaft). Sehr zur Freude des Buchsbaumzünslers, der sich ungestört über das gesamte Blattwerk der für Bauerngärten so typischen Buchsbaumeinfassungen hermachen konnte, was schließlich zum Absterben der Buchsbaumhecken führte. Sie werden wohl erst im nächsten Jahr erneuert werden. Mit dem zu Ende gehenden Sommer wird Radermacher noch einmal Salate pflanzen, bevor dann mit dem Rosenkohl das Wintergemüse Einzug hält.

Der Bauerngarten am Haus der Natur an der Waldau ist zu allen Zeiten geöffnet und kann kostenlos betreten werden.

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