Gefährliche Keime Ein freiwilliger Tüv für Altenheime

BONN · Pro Jahr erkranken in Deutschland mehr als 600.000 Menschen an sogenannten nosokomialen Infektionen. "Das passiert entweder im Krankenhaus oder bei der Pflege in Alten- und Pflegeheimen", sagte Professor Martin Exner, Leiter des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Bonner Uniklinik.

Der weit verbreitete Keim MRSA in den Atemwegen.

Der weit verbreitete Keim MRSA in den Atemwegen.

Foto: 3M Deutschland GmbH

Um diese Infektionen einzudämmen, beginnt das MRE-Netz Regio Rhein-Ahr, in dem die Uniklinik und die Gesundheitsämter der Region Bonn/Köln kooperieren, im August damit, ein freiwilliges Qualitätssiegel für die Hygienestandards in Altenheimen zu verleihen. Bisher haben sich 208 der etwa 600 Einrichtungen in der Region für die Prüfung angemeldet.

"Ziel der Initiative ist die Verhütung, Vermeidung und Kontrolle der Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger", sagte Exner. Die Zahl schwer behandelbarer Infektionen insbesondere bei älteren Menschen nehme zu, weshalb nicht nur Krankenhäuser, sondern auch Pflegeheime Präventionsstrategien entwickeln müssten. Das Problem: Gegen die antibiotika- oder auch multiresistenten Erreger (MRE) gibt es kaum wirksame Mittel. "Die Zeit, in der wir für Infekte immer ein passendes Antibiotikum hatten, ist vorbei", sagte Exner.

Was die Gesundheitsämter für das Qualitätssiegel untersuchen, sind vor allem strukturelle und betriebliche Voraussetzungen, aber auch Strategien zum Umgang mit den Keimen. "Zum Beispiel sollten die Angestellten keinen Schmuck tragen und die Hände richtig desinfizieren", sagte Dr. Franz-Josef Schuba vom Gesundheitsamt des Rhein-Erft-Kreises. Bewertet wird, ob es eine Hygienekommission, regelmäßige Schulungen und Verfahrensanweisungen für Erkrankungen gibt. Die Gesundheitsämter stünden dabei als Berater zur Seite. Allerdings sei nicht nur die Hygiene innerhalb der Einrichtungen wichtig, sondern auch die Behandlung beim Hausarzt. "Er sollte nicht unbedacht Antibiotika verschreiben, auch wenn er die freie Wahl der Therapie hat", so Schuba.

Grundsätzlich sollen die Erreger nicht verunsichern. In Pflegeheimen, zu denen auch die für Menschen mit Behinderung gehören, müsse man besonders auf die Bewohner eingehen. "Früher wurde man isoliert und vereinsamte", sagte Exner. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Dem entgegen stehe der Personalschlüssel: Deutschland sei in Europa Schlusslicht, zu wenig Personal kümmere sich um zu viele Patienten.

Wenn Antibiotika nicht mehr wirken

Multiresistente Erreger (MRE) sind gegen verschiedene Antibiotika und Virostatika unempfindlich und werden vor allem in Krankenhäusern gefährlich. Jährlich treten in Deutschland rund 225 000 postoperative Wundinfektionen auf. Zwischen 7500 und 15 000 Patienten sterben nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts pro Jahr an einer Sepsis nach Wundinfektion. Die Normothermie eines Patienten, also die Vermeidung eines Temperaturabfalls während und nach einer OP, zählt zu den wichtigsten Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen nach einer Operation.

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