Interview mit dem Psychologen Kai Bestmann „Ein hoher IQ ist kein Garant für eine gute Stelle“

Wer schnell begreift, muss nicht erfolgreicher sein als andere. Über Schwierigkeiten von Hochbegabten und Vorurteile, denen sie begegnen, sprach Psychologe Kai Bestmann mit dem GA.

 Der Psychologe Kai Bestman entwickelt für Mensa Intelligenztests.

Der Psychologe Kai Bestman entwickelt für Mensa Intelligenztests.

Foto: Mensa

Es heißt, Hochbegabte seien schwierig im Umgang. Stimmt das?
Kai Bestmann: Hochbegabte sind Menschen wie du und ich: also ganz unterschiedlich. Insofern ist es ein Vorurteil zu sagen, dass sie schwieriger sind als andere. Es gibt aber durchaus Bereiche, die Hochbegabte vor besondere Herausforderungen stellen. Manche Zusammenhänge erscheinen ihnen so klar, dass sie vielleicht nicht nachvollziehen können, wie man sie nicht verstehen kann.

Aber das deutet ja schon auf einen gewissen Mangel an Empathie hin.
Bestmann: Nein, das ist nicht mehr Mangel an Empathie als umgekehrt die Schwierigkeit nachzuvollziehen, dass ein Mensch etwas so klar verstehen kann. Jedoch: Wer schnell begreift, der kann ungeduldig werden, wenn beispielsweise in der Schule immer wieder der gleiche Stoff wiederholt wird.

Wie entwickeln sich solche Schüler?
Bestmann: Manche schaffen alles mit links. Aber nicht alle gehören zwingend zu den besten Schülern. Werden sie nicht richtig gefördert, kann es passieren, dass sie sich langweilen, nicht mehr aufpassen und irgendwann den Stoff gar nicht mehr mitbekommen.

Sollten Hochbegabte spezielle Schulen besuchen wie beispielsweise die Christophorusschule in Königswinter?
Bestmann: Kommt darauf an. Das würde ich immer abhängig machen von der jeweiligen Person. Das Wichtige ist die Entdeckung der Hochbegabung selbst. Dieser Aha-Effekt „ich bin in Ordnung, wie ich bin und liebenswert – und bin darüber hinaus mit besonderen Denkfähigkeiten ausgestattet“ ist in seiner Bedeutung auch für die Eltern von großer Wichtigkeit. Wenn die Hochbegabung feststeht, kann man überlegen, wie es weitergehen kann. Ob ein Überspringen der Klasse sinnvoll ist oder vielleicht ein Schulwechsel.

Wie ist eine solche Diagnose möglich?
Bestmann: Über Intelligenztests. Der Verein Mensa hat im vergangenen Jahr rund 2500 solcher Tests durchgeführt, die Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr absolvieren können. Darin werden Mathematikaufgaben gestellt, es gibt Fragen zur Sprache und räumlichen Wahrnehmung und einen Gedächtnisteil. 2015 haben 36 Prozent der Teilnehmer einen Intelligenzquotienten von 130 erreicht und gehören damit zu den Hochbegabten.

Ist man mit einem hohen IQ im Beruf im Vorteil?
Bestmann: Ein hoher IQ ist kein Garant für eine gute Stelle. Ein hoher Emotionaler Quotient (EQ), mit dem unter anderem das Einfühlungsvermögen beschrieben wird, schon eher. Das sind wohlgemerkt ganz andere Bereiche von Fertigkeiten, die sich einander aber nicht ausschließen. Jemand mit hohem IQ und wenig Empathie kann eine offenkundig falsche Analyse eines Kollegen vielleicht nicht akzeptieren und eckt damit an. Der mit dem Einfühlungsvermögen kommt zu dem Schluss: Es mag nicht richtig gewesen sein, aber was soll's.

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