Start-up-Szene Ein kleines Silicon Valley für Bonn

Bonn · Bis Ende des Jahres entsteht im Stadtkern ein digitales Zentrum für Start-ups. Regionale Unternehmen verdienen mit.

Äußerlich haben Cedric Teichmann und Jörg Haas wenig gemeinsam: Der eine trägt zum Hemd, das lässig über der Hose hängt, Vollbart und Pferdeschwanz. Der lockere Kleidungsstil ist unter Jungunternehmern der digitalen Wirtschaft üblich – Facebook-Gründer Marc Zuckerberg trägt auch gerne Badelatschen. Der Bonner Investor und Eigentümer des Kameha-Hotels trägt klassisch Businessanzug. Doch trotz oberflächlicher Unterschiede haben die beiden Projektpartner ein gemeinsames Ziel: Sie wollen in Bonn ein Zentrum für Start-ups der digitalen Wirtschaft errichten, das die Jungunternehmer mit den ansässigen Firmen vernetzen soll. Einfach gesagt: Eine moderne Bürolandschaft, die Platz für zehn bis 15 junge Unternehmen bietet. Regionale Investoren stehen beratend zur Seite, verdienen aber auch an den Ergebnissen. Die Kreativwerkstatt mit Gewinnabsicht fungiert unter der Bezeichnung „Digital Hub“ („Digitales Zentrum“).

Wenn alles gut geht, können die ersten Jungunternehmer noch in diesem Jahr einziehen. Was derzeit allerdings noch fehlt, ist ein passender Standort. Teichmann ist Mitbegründer einer Beratungsfirma, Mitbegründer der lokalen Start-up-Community „Startup Bonn“, und wird der künftige Manager des „Digital Hubs“. Wenn Teichmann über die Realisierung des Standortes spricht, fallen Worte wie „funky“, Cafés und Spieleräume. Doch trotz allem darf kein falscher Eindruck entstehen: „Es ist ein kapitalistisches System mit Gewinnziel“, erklärt Haas im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Das „Digital Hub“ wird als Aktiengesellschaft fungieren.

Der regionale Mittelstand soll zum Zug kommen

Das heißt: Die Unternehmen aus der Region, die in das Hub und den Nachwuchs investieren, sind gleichzeitig Teilhaber. Dazu achtet Haas darauf, dass auch der regionale Mittelstand zum Zug kommt: „Die Arbeit im Hub orientiert sich auch an den Bedürfnissen der Unternehmen“, erklärt Haas. Mit anderen Worten: Die künftigen Start-ups sollen auch Lösungen für Unternehmen in der Region entwickeln. Damit spielt Haas vor allem auf die Schwierigkeiten der Digitalisierung im Mittelstand an. Auf der anderen Seite werden die Jungunternehmer dafür mit Infrastruktur und Geld ausgestattet. Mentoring und Unterstützung beim Marketing gehören ebenso zum „Generationenvertrag“.

Maßnahmen für den Nachwuchs, die in Bonn bisher eher rar waren: „Dann müssen wir keine 30 Kilometer mehr bis nach Köln fahren“, erklärt Teichmann. Das Land NRW ist bereits vom Erfolg des Projekts überzeugt und fördert das Vorhaben mit 1,5 Millionen Euro. Von regionalen Akteuren – öffentlichen Einrichtungen aber auch vielen Unternehmen – kommen weitere 3,5 Millionen Euro. Diese Summe soll das Hub die ersten fünf Jahre finanzieren. Insgesamt sind mehr als 30 Organisationen und Unternehmen beteiligt – unter anderem Telekom, Post und Postbank, aber auch kleinere Firmen wie das IT-Beratungs- und Software-Unternehmen Comma Soft aus Bonn. Zu den Unterstützern gehört natürlich auch Haas mit seinem Beteiligungsunternehmen HWPartners. „Die Start-ups von heute sind der Mittelstand von morgen“, betont Haas die Wichtigkeit des Projekts und des Engagements der öffentlichen Einrichtungen. Die Stadt Bonn hat 150.000 Euro zugesagt.

NRW fördert auch Hubs in anderen Städten, unter anderem in Aachen und Köln. Am Bonner Konzept überzeugte die Jury besonders die geplanten Innovationsgaragen. Diese können Industrie und Mittelstand künftig mieten, um gemeinsam mit Start-ups an digitalen Geschäftsmodellen zu arbeiten. In den vergangenen Monaten waren die Stimmen aus der regionalen Wirtschaft, wenn es um die Start-up-Szene in Bonn ging, oft kritisch. Es werde zu wenig getan.

Mit dem Hub könnte sich das ändern. Fehlt nur noch der passende Standort: zentral, etwa 1000 Quadratmeter und hip soll er sein. „So etwas wie das alte Viktoriabad“, schwärmt Teichmann. Die Nachfrage von potenziellen jungen Gründern, die einziehen wollen, ist bereits groß. Zwischen 25 und 50 Start-ups sollen in den ersten drei Jahren betreut werden.

Wer Teil der Gemeinschaft werden will, muss sich allerdings bewerben. Im Zuge der Gründung gebe es dann immer wieder Qualitätskontrollen, erklären Teichmann und Haas. Die Investitionen müssten schließlich gerechtfertigt werden. Und wer scheitert? Das sollen besagte Qualitätskontrollen zwar ausschließen, doch unmöglich ist es nicht, dass Projekte auch vorzeitig beendet werden.

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