Güterbahnhof Bendenfeld Ein Ort, damals und heute - 44 Jahre zeitversetzt

DRANSDORF · Für den stillgelegten Bahnhof Bendenfeld in Dransdorf, der hinter dem Firmengelände von Früchte Abels an der Justus-von-Liebig-Straße langsam überwuchert wird und über den der GA schon berichtete, gibt es einen Schlüssel. Hans Klein hat ihn und schließt die Stahltür am Eingang auf.

 Hans Klein vor dem Stelltisch. Die Fenster sind zugemauert. Der Stuhl ist allerdings immer noch derselbe wie damals.

Hans Klein vor dem Stelltisch. Die Fenster sind zugemauert. Der Stuhl ist allerdings immer noch derselbe wie damals.

Foto: MLH/Horst Müller

Der Weg dorthin führt über ein paar alte, rostige Gleise, dann muss man sich durch ein paar Brombeerbüsche quetschen, bis zu einer vermoosten Treppe. Die Tür selbst ist hinter dem Graffiti, das schon vor Jahren dort aufgesprüht wurde, kaum zu sehen. Klein dreht den Schlüssel um. Und dann stehen wir endlich drin, im Herzstück des alten Güterbahnhofs, der 1969 eröffnet wurde und schon zehn Jahre später aufgegeben wurde. Seitdem ist hier Stille eingekehrt.

Der Stelltisch, mit dem die Weichen und Signale damals gelenkt wurden, ist noch da; sogar der Stuhl von damals - die Einweihung fand 1969 statt - steht immer noch davor. Klein setzt sich und schaut auf den Stelltisch. "Heute würde man vermutlich den Arbeitsschutz auf den Plan rufen, wenn ein Mitarbeiter noch auf einem solchen Holzstuhl sitzen müsste", sagt der Leiter der Netzverwaltung der HGK (Häfen- und Güterverkehr Köln), welcher das verwunschene Gelände und der Bahnhof gehört. Dass der Stuhl so lange die Jahre überdauert hat, wundert nicht nur ihn.

Die Fenster des Backsteinbaus sind längst zugemauert, damit keine ungebetenen Besucher eindringen können. Damit, so Klein, hat man in der Vergangenheit schon mehrfach unliebsame Erfahrung gemacht.

Indiz dafür: Im Vorraum hat jemand einen Feuerlöscher entleert - offenbar haben sich die Eindringlinge weder von der massiven Stahltür noch von den dichten Büschen abschrecken lassen.

In einer Ecke steht eine uralte Waage herum, allerdings ist sie kaputt. Mehr Aufschluss gibt ein Produktionsplan auf dem Tisch, der letzte Eintrag ist von 2002. Da scheint noch mal ein Zug hier durchgerollt zu sein.

In einem Schrank finden sich drei Rollen altes Toilettenpapier, irgendwo steht eine Zigarrenkiste herum. Sie enthält nur ein paar Heftklammern, zwei Stifte, ein paar Nägel und - einen Flaschenöffner. Alles andere, was für den Betrieb damals notwendig war, ist fein säuberlich ausgebaut und ausgeräumt. Auch die Technik in dem Stelltisch ist nicht mehr vorhanden.

HGK-Pressesprecher Jan Zeese macht derweil in einem alten Spind eine Entdeckung. Da liegt doch tatsächlich ein "Goldenes Blatt" vom 4. Oktober 1978 herum. Titelgeschichte: Königin Silvia von Schweden und ihre schwierige Beziehung zur Schwiegermutter. Lacher in der Runde, manche Themen halten sich ewig.

Was beherbergt ein alter, verlassener Bahnhof sonst noch so? Eine Toilette mit Waschbecken, einen Abstellraum und den Relaisraum. Und hier brummt tatsächlich etwas. "Das sind Überwachungssysteme, denn zwischen der DB und diesem Stellwerk gibt es eine technische Abhängigkeit", erklärt Klein. Das läuft aber alles automatisch. Ergo: Der Bahnhof ist doch noch nicht völlig abgeschaltet. An der Tür hängt immer noch eine Dienstanweisung von 1987. Da wird vor Brandgefahr gewarnt und das Rauchverbot angemahnt. Ansonsten liegt ein bisschen Schutt herum.

Der Besuch ist fast zu Ende, mehr gibt es nicht zu sehen. Wann vor unserer Gruppe zuletzt jemand hier war, lässt sich genau feststellen. Ein Blick in das Kontrollbuch auf dem Tisch weist aus: Am 1. April 2003 war die letzte Betriebsprüfung. Seitdem, also gut zehn Jahre lang, hatte niemand mehr die Räume des alten Bahnhofs betreten. Er lag im Dunkeln. Und wird es noch weitere Jahre tun. Es sei denn, jemand entschließt sich, ihn einmal wieder zu aktivieren. Oder abzureißen.

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