Forscher auf dem Venusberg Ein Relikt der Jungsteinzeit

BONN · Ein wenig verborgen zwischen Kiefern steht ein weißes Zelt auf dem Venusberg. Unter der Plane hocken Menschen mit Messgeräten und Zeichenutensilien. Das unscheinbare Szenario zwischen Wanderwegen und dichtem Wald hat für die Forscher einen unschätzbaren Wert.

 Zentimeter für Zentimeter arbeiten sich die Archäologen ins Erdreich und tragen Schicht um Schicht ab.

Zentimeter für Zentimeter arbeiten sich die Archäologen ins Erdreich und tragen Schicht um Schicht ab.

Foto: Horst Müller

Es handelt sich um eine 6000 Jahre alte Wallanlage. "Es ist nicht römisch, es blinkt nicht, aber es ist trotzdem spannend", sagt Erich Claßen von der LVR-Bodendenkmalpflege. Seit Mitte Juli erforschen das LVR-Amt und die Universität zu Köln das Gebiet, die Ausgrabungen sollen noch bis Ende September dauern.

Bereits in den 1980er Jahren war an gleicher Stelle gegraben worden. Eine Radiokarbon-Untersuchung brachte die Erkenntnis, dass die Anlage ihre Ursprünge in der Michelsberger Kultur um 4100 vor Christus hat. Der Wall ist damit der älteste Nachweis einer dauerhaften Präsenz jungsteinzeitlicher Bauern im Stadtgebiet.

"Das ist schon eine Sensation", sagte gestern Silviane Scharl, Grabungsleiterin der Uni Köln. "Es gibt zwar drei weitere ähnliche Fundstellen in Deutschland, aber in Nordrhein-Westfalen ist es die einzige." Durch die aktuellen Ausgrabungen erhoffen sich die Forscher, weitere Informationen über die Michelsberger Kultur zu erhalten.

"Wir wissen über diese Kultur so gut wie gar nichts. Wir wissen nicht, wie die Siedlungen oder Häuser aussahen. Wir suchen weitere Mosaiksteinchen, um die Kultur besser zu verstehen." Mit Holzschaufeln wurde der Kies abgetragen und wenige Meter entfernt wieder aufgehäuft. "Ein Wall über 140 Meter, zwischen Graben und Wall ein Höhenunterschied von 3,50 Metern. Das ist schon eine Ansage", so Claßen.

Der Wall erstreckt sich über den südlichen Bereich des Venusbergs. Mit den steilen Hängen in den anderen Himmelsrichtungen und möglichenPalisaden, bot der Wall eine perfekte Abriegelung. "Es ist zwar nicht bewiesen, aber ein gewisser Wehrcharakter ist nicht von der Hand zu weisen", sagte Claßen. "Es sind aber noch viele Fragen offen, die wir hier nicht beantworten werden."

In Zehn-Zentimeter-Schritten werden die nächsten Schichten abgetragen. Dafür benötigen die Forscher jeweils zwei Tage. Bis zur Sohle ist es noch ein halber Meter. Neben weiteren Erkenntnissen erhofft sich Claßen aber auch handfeste Bodenschätze. "Es ist aber extrem unwahrscheinlich, hier etwas zu finden."

Nach dem Abschluss der Ausgrabungen werden die Gräben wieder zugeschüttet. Vorher haben die Bürger am morgigen Samstag die Chance, durch die Ausgrabungsstätten geführt zu werden. "Wir wollen so ein bisschen Verständnis für unsere Grabungen wecken."

Der LVR bietet morgen zwischen 10 und 13 Uhr Führungen an der Wallanlage, Robert-Koch-Straße, gegenüber Einmündung Bodelschwinghweg, an. Zudem ist im Landesmuseum, Colmantstraße 14-16, die Ausstellung "Revolution Jungsteinzeit" zu sehen.

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