Bonner Bilderbogen Ein Staatsbesuch, der teuer wurde

Bonn · Bei der Visite des Präsidenten von Südvietnam im April 1973 besetzten Demonstranten das Alte Rathaus. Verwaltungsmitarbeiter riefen per Telefon um Hilfe - die aber ließ auf sich warten.

An die ersten fliegenden Pflastersteine erinnern sich Bonner Demo-Veteranen noch heute. „Ich traute meinen Augen nicht“, schilderte ein Teilnehmer der Demonstration auf dem Marktplatz seine damaligen Eindrücke. In anderen deutschen Großstädten war es im Nachhall von „68“ zwar längst „normal“ geworden. Die Form, in der am 10. April 1973 in Bonn zunächst friedlicher Protest in Aggression und Gewalt umschlug, sorgte jedoch auch über die Grenzen der Bundeshauptstadt hinaus für Aufmerksamkeit.

Ngyuyen van Thieu, so hieß der Staatsgast, der an jenem Frühlingstag am Rhein erwartet wurde. Ein Programmpunkt der Visite des südvietnamesischen Präsidenten war auch ein offizieller Besuch im Alten Rathaus. Sonderlich erwünscht, munkelte man im Regierungsviertel, sei der Vietnamese nicht. Vielmehr, so hieß es, seien es die Amerikaner gewesen, die seine „Selbsteinladung“ in Bonn auf der Rückreise aus den USA „eingestielt“ hätten - was Bundeskanzler Willy Brandt unverblümt mit den Worten kommentierte: „Es gibt Besucher, die sieht man lieber gehen als kommen“.

Der Ausspruch wurde dann aber in einem ganz anderen Zusammenhang anwendbar. 40 bis 60 der insgesamt rund 4.000 Demonstranten waren vier Stunden vor Abflug des Staatsgastes ins Alte Rathaus eingedrungen und hatten ihrem politischen Sendungsbewusstsein darin freien Lauf gelassen. Sekretärinnen und städtische Bedienstete seien eingesperrt worden und Parolen an die Wände des Barockgebäudes gesprüht worden, berichtete im Nachgang der „Spiegel“.

Die Polizei ließ auf sich warten

Unter dem Jubel ihrer Anhänger hätten die Randalierer - mutmaßlich handelte es sich um Mitglieder der KPD und der „Liga gegen den Imperialismus“ – Stühle, Tische und Akten aus den Fenstern geworfen. Auf eine gewisse Betulichkeit der Sicherheitsbehörden lässt der Rest der „Spiegel“-Berichterstattung schließen: „Eine Dreiviertelstunde lang blieben telephonische Hilferufe der überfallenen Rathausbediensteten ohne Folgen“. Lange mussten die bedrängten Verwaltungsmitarbeiter bitten, bis ihnen endlich in Gestalt mehrerer Hundertschaften mit Tränengas und Wasserwerfern Hilfe zuteil wurde. Der Schaden betrug eine halbe Million Mark – damals viel Geld.

Die Szenen, die sich auf der Rathausgasse abspielten, hat ein unbekannter Fotograf im Bild festgehalten. Offenbar sind die Einsatzkräfte gerade dabei, die Mao-Anhänger mittels Wasserwerfer in Richtung Bischofsplatz abzudrängen. Der Möbelwagen eines Bonner Einrichtungshauses scheint dabei eher zufällig zwischen die Fronten geraten zu sein. Und für die Werkzeughandlung Anton Dahm fiel das Geschäft an jenem Dienstagnachmittag ausnahmsweise buchstäblich ins Wasser. Das Foto ist eines von 400 Bildern, die in dem neu erschienenen Buch „Bonn. Von der Rheinreise zu den Ostverträgen. Fotografien 1850 bis 1970“ enthalten sind.

In mehreren Folgen stellen wir ausgewählte Motive aus der Sammlung vor. Das Buch aus dem Greven-Verlag kostet 39,90 Euro und ist in allen GA-Zweigstellen erhältlich.

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