WCCB-Skandal "Ein unmögliches Verfahren"

BONN · Zu später Stunde ging es um Millionen: Im Stadtrat kamen am Donnerstagabend hinter verschlossenen Türen die Nachtragsforderungen von drei Firmen auf den Tisch, die mit der Fertiggestellung des WCCB beauftragt sind. Viele Politiker machten aus ihrem Unmut und ihrer Verunsicherung über diesen Vorgang keinen Hehl. Trotzdem stimmte die Mehrheit zu.

 So sah es im WCCB noch im August 2014 aus. Jetzt ist das Projekt weiter, doch der Zeitplan ist aus den Fugen.

So sah es im WCCB noch im August 2014 aus. Jetzt ist das Projekt weiter, doch der Zeitplan ist aus den Fugen.

Foto: Volker Lannert

"Man lässt uns ja keine andere Wahl, wir müssen in diesen sauren Apfel beißen, wenn wir das Ziel erreichen wollen, das Kongresszentrum pünktlich zur UN-Tagung Anfang Juni in Betrieb nehmen zu können", hatte CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus-Peter Gilles vor Beginn der Sitzung sichtlich verärgert erklärt.

Auch seine Fraktion könne sich dabei ausschließlich auf die Prüfung der Verwaltung und deren klare Feststellung verlassen, dass die Nachzahlungen für die Stadt der wirtschaftlichste Weg seien. Allerdings ist noch gar nicht klar, ob die Forderungen der Firmen in vollem Umfang berechtigt sind.

Ernst & Young mit Prüfung der Forderungen beauftragt

Linksfraktion, Bürger Bund Bonn (BBB) und die AfD votierten gegen die Dringlichkeitsbeschlüsse. BBB-Fraktionschef Bernhard Wimmer sprach am Frietag von einem "unmöglichen Verfahren". Es sei grotesk, dass die Stadt mit der Prüfung der "baubetrieblichen Nachtragsforderungen" der Firmen ausgerechnet die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young beauftragt habe. Die ist der offizielle Projektsteuerer für die WCCB-Fertigstellung. Und als solcher, so Wimmers Argument, hätte sie die städtische Zwangslage im Vorfeld verhindern müssen.

Stefan Heidenblut von Ernst & Young hatte der Stadt empfohlen, mit den drei Firmen entsprechende Vereinbarungen beziehungsweise eine Absichtserklärung, einen "Letter of Intent" (LoI), zur Zahlung von insgesamt 3,6 Millionen Euro abzuschließen - verlangt hatten sie zusammen mehr als zehn Millionen Euro. Die Einigung sei die wirtschaftlichste Lösung, so Heidenblut. Für die Prüfung der Nachforderungen bekamen die Berater von der Stadt noch einmal 225 847 Euro extra.

BonnCC Management GmbH rät zur Einigung

Auch die stadteigene BonnCC Management GmbH, die das WCCB betreibt, riet zur Einigung mit den Firmen. Andernfalls drohe eine Bauzeitverlängerung um sechs Monate, die bis zu 4,2 Millionen Euro kosten und "die Etablierung des Kongresszentrums im Markt um ein bis 1,5 Jahre verzögern" würde, schrieb die BonnCC-Geschäftsführung. Zudem bedeute eine erneute Verzögerung des Fertigstellungstermins einen erheblichen Imageverlust für die Stadt.

Die Firma Ernst & Young äußert sich zu diesem Vorgang nicht. "Als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist es uns per Gesetz ausdrücklich untersagt, Dritten Auskunft über Sachverhalte zu geben, die Mandatsverhältnisse jeglicher Art betreffen", betonte Sprecher Dag-Stefan Rittmeister.

Linke: Stadt hat sich erpressbar gemacht

Linksfraktionschef Michael Faber meinte, dass es die Stadt selbst gewesen sei, die sich "nach außen auf einen Fertigstellungstermin für das WCCB verpflichtet hat". Da Baufirmen und Generalplaner aber nicht bindend auf diesen Termin festgelegt worden seien, habe sich die Stadt erpressbar gemacht, ist er überzeugt.

Jetzt seien Millionenbeträge bewilligt, obwohl keine in die Tiefe gehende Prüfung der Nachtragsforderungen erkennbar sei. Faber: "Es ist immer noch keine verbindliche Verpflichtung auf einen Fertigstellungstermin als Gegenleistung ersichtlich." Für die städtischen Millionen gebe es nur die vage Hoffnung auf pünktliche Fertigstellung.

Nimptsch und Schmidt wollen Fertigstellung nicht gefährden

Obgleich Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) und Grünen-Politiker Tom Schmidt sonst nicht als Freunde gelten, besteht bei den WCCB-Dringlichkeitsentscheidungen Konsens: Beide halten sie für unausweichlich, um die rechtzeitige Fertigstellung nicht zu gefährden. Denn am 4. Juni soll im Neubau eine Konferenz des UN-Klimasekretariats mit 5000 Teilnehmern beginnen.

Unter Abwägung aller Umstände sei die Verwaltung zum Schluss gekommen, dass es die wirtschaftlichste Lösung sei, den schnellstmöglichen Fertigstellungstermin zu erreichen und mit der Unterzeichnung des "LoI" eine der Voraussetzungen zu schaffen, hatte Nimptsch in einem internen Rundbrief an alle Ratsmitglieder vor Beginn der Sitzung geschrieben.

Darin bestreitet er unter anderem, dass die Stadt sich bei der Firma Elektro-Anlagenbau GmbH Neustrelitz zu Zahlungen ohne garantierte Gegenleistung verpflichtet habe. Vielmehr sehe diese Vereinbarung vor, dass die Beteiligten das "gemeinsame Ziel" hätten, "die oben genannten Termine zu realisieren" und "kooperativ zusammenzuarbeiten".

Der Auftragnehmer müsse "pro-aktiv an der Optimierung des Bauablaufs mitwirken". In der Expertise eines von der Stadt beauftragten Baufachrechtlers heißt es aber: "Mit dem LoI geht die Stadt Bonn eine Zahlungsverpflichtung von bis zu 1,5 Millionen Euro ein, und zwar unabhängig davon, ob (...) die erhoffte Termineinhaltung eintritt oder nicht."

Schmidt, der Vorsitzender des WCCB-Unterausschusses ist, betont: "Auch wenn die Entscheidung angesichts der knappen Fristen auf der Baustelle unter großer Eilbedürftigkeit stand, so ist sie doch außerordentlich gründlich vorbereitet worden." Während die SPD mitteilte, sie habe dringend zur Zustimmung geraten, räumte Achim Schröder (FDP) ein, seine Fraktion habe sich schwergetan. Letztlich aber sei es darum gegangen, Verantwortung für den UN-Standort Bonn zu übernehmen.

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