Interview mit Karolin Kraske Einblicke in die ganz private Seele

Bonn · Es ist eine Premiere für Bonn. Am Samstag gibt es in der Altstadtkneipe „Nyx“ die erste Tagebuchlesung, organisiert von Karolin Kraske.

 Karolin Kraske organisiert die erste Bonner Tagebuchlesung

Karolin Kraske organisiert die erste Bonner Tagebuchlesung

Foto: Christoph Meurer

Ist es nicht ein Widerspruch, wenn aus privaten Tagebüchern öffentlich gelesen wird?

Karolin Kraske: Das ist richtig. Aber ich bestimme nicht, was gelesen wird. Die Vorleser dürfen ihre Texte auswählen und mit Bildern untermalen. Somit werden die Texte dann zu lektorierter Literatur.

Wie sind Sie an die Menschen herangekommen, die aus ihren Tagebüchern lesen werden?

Kraske: Ich habe zunächst im Bekannten- und Freundeskreis gefragt. Die Resonanz war aber etwas erschütternd. Ich hatte mit mehr gerechnet. Der Trend zum Tagebuch schreiben geht wohl zurück, und viele sagten, dass sie ihr Tagebuch nicht mehr hätten. Das hat mich noch mehr verwundert. Gleichzeitig habe ich einen Onlineaufruf gestartet, auf den auch etwas zurückkam. In einem Fall wird eine Person aus dem Tagebuch eines Freundes lesen, weil dieser selbst nicht möchte.

Was erwartet die Besucher?

Kraske: Es gibt unterschiedliche Themen aus unterschiedlichen Zeitspannen. Es geht nicht nur um Jugendtagebücher, es ist eine bunte Mischung aus subtilen und nachdenklichen Texten. Der jüngste Leser ist 23, der älteste Anfang 40.

Wie entstand die Idee, eine Tagebuchlesung in Bonn zu organisieren?

Kraske: Ich habe als Gast an einer Tagebuchlesung teilgenommen. Nach dem Erfolg von Poetry-Slams haben sich verschiedene Formate entwickelt, darunter auch dieses. Ich finde die Idee so schön, dass ich Lust hatte, das einmal auszuprobieren.

Warum?

Kraske: Das Besondere daran ist, dass Menschen auf die Bühne geholt werden, die sich dort bislang nicht gesehen haben. Sie werden zu relevanten Akteuren, weil sie etwas geschrieben haben beziehungsweise etwas besitzen, das nicht jeder hat. Ich habe die Menschen auch gebeten, die Texte nicht großartig vorher zu üben. Das Charmante ist, dabei zuzusehen, wie sich die Menschen beim Lesen wieder an Ereignisse erinnern.

Was macht den Reiz eines Tagebuchs aus?

Kraske: Ein Tagebuch ist unreflektiert und ungefiltert in dem Sinne, dass kein Redakteur die Texte überarbeitet. Man achtet nicht auf die Wortwahl, wenn man seinem Tagebuch etwas erzählt, man muss nicht diplomatisch sein. Diese Texte sind eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Sie haben die Tagebücher, aus denen gelesen wird, vorab gesichtet. Was ist Ihnen aufgefallen?

Kraske: Männertagebücher bestehen nur aus Schrift. Bei Frauentagebüchern nimmt der Text rund ein Drittel der Seite ein, der Rest ist Dekoration: gemalte Blumen, Herzchen oder Aufkleber.

Haben Sie selbst ein Tagebuch geschrieben?

Kraske: Nein, ich habe Briefbücher mit Freundinnen geschrieben. Das heißt, man hat das Buch mit nach Hause genommen und etwas an jemand Bestimmtes geschrieben. Diese Person hat das Buch dann am nächsten Tag bekommen. Das war in meiner Jugend angesagt.

Glauben Sie, dass Tagebücher aus der Mode gekommen sind?

Kraske: Ja, aufgrund von Blogs. Das Tagebuch wird meiner Meinung nach niemals aussterben, aber Leute, die heutzutage den Drang zu schreiben haben, haben durch das Internet auch den Drang, sich mitzuteilen. Auch die Digitalisierung, durch die man immer auf das Geschriebene zurückgreifen kann, spielt eine Rolle. Das Handgeschriebene ist aber das Besondere.

Der Erlös der Lesung soll einem sozialen Zweck zukommen. Welchem?

Kraske: Das steht schon fest, der Empfänger weiß es aber noch nicht. Das Geld wird aber an Kinder gehen.

Die „Bonner Tagebuchlesung“ beginnt am Samstag, 8. April, um 20 Uhr im „Nyx“, Vorgebirgsstraße 19. Der Eintritt kostet fünf Euro.

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