Hauptbahnhof in Bonn Eine unendliche Geschichte

BONN · Es schneit. Kleine Flocken fallen vom Himmel als der IC 2024 planmäßig um 13.45 Uhr Gleis 1 des Bonner Hauptbahnhofs erreicht. Rund 30 Menschen steigen aus dem Zug, der aus Passau kommend die Bundesstadt angesteuert hat.

Der erste Eindruck von Bonn ist für die Ankömmlinge ungemütlich. Jackenkragen werden aufgestellt, Wollmützen übergezogen, ja sogar vorsorglich einige Regenschirme gespannt.

Auch Tony steigt aus. Ohne Kragen, ohne Mütze, ohne Regenschirm. Dafür mit viel Gepäck. Der Nigerianer kommt aus der Nähe von Nürnberg und besucht für ein paar Tage seinen Bruder in Bonn. Tony ist nicht das erste Mal in der Bundesstadt. Er kennt den Bahnhof. Der sei so "einfach". Aber manchmal ist "einfach" eben auch "schön", wie er lachend sagt, bevor er sich freundlich verabschiedet.

Der Deutschen Bahn zufolge befinden sich täglich rund 40 000 Reisende auf dem Hauptbahnhof. Nicht alle Ankömmlinge finden den Hauptbahnhof - das Tor zu Bonn - schön. Zum Beispiel wenn es regnet. Wie berichtet, ist das Dach undicht. Je nach Intensität des Regens schüttet es wie aus Kübeln auf das Gleis und den Bahnsteig. Eigentlich wollte die Bahn den Hauptbahnhof schon Ende vorigen Jahres sanieren, doch es kam zu Verzögerungen.

Auch der angestrebte Termin im Februar konnte nicht eingehalten werden. Laut Bahn soll die Modernisierung des denkmalgeschützten Bahnhofsdachs aber im Herbst beginnen. "Ich freue mich für unsere Stadt, dass dieses Eingangstor nun doch früher wieder in alter Pracht erscheinen wird", erklärte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. 8,7 Millionen Euro soll die Sanierung kosten.

Ein verblasstes Informationsschild, ein rostiger Einkaufswagen und jede Menge Müll: Auch die Ankömmlinge auf Gleis 5 werden von Bonn nicht gerade warm empfangen. Die dort angrenzende Hochgarage an der Quantiusstraße ist eine Baustelle. Bauzäune und und weiß-rote Schrankenschutzgitter trennen die abgestellten Fahrzeuge von den Passagieren. Daneben eine mit alten Rohren, Unrat und Abfall garnierte Wiese. Sie führt zu den besprayten Baracken der provisorischen Radverleihstation der Caritas.

Trotz klirrender Kälte verkauft eine junge Frau mit Hund am Aufgang zur Quantiusstraße eine Obdachlosenzeitung. Unterschlupf vor dem einsetzenden Regen sucht sie im Parkhaus nicht. Das Gebäude wirkt von außen wenig einladend. Ein morscher, verdreckter Holzzaun lehnt am Zugang zum Hauptbahnhof, dessen Schriftzug dadurch verdeckt wird. Auf der anderen Straßenseite sammeln sich Müll und Fäkalien.

Positiver Bauvorbescheid

Auf dem Areal an der Quantiusstraße will Investor Detlev Klaudt ein neues Studentenheim errichten. "Erst muss das Studentenheim stehen. Dann wird überlegt, was mit der Hochgarage passiert. Abgerissen wird sie definitiv", sagt Klaudt. Einen positiven Bauvorbescheid besitzt der Unternehmer bereits. Jetzt befinde sich die Stadt mit der Bahn in den finalen Gesprächen. Klaudt geht davon aus, "dass mit dem Bau den Studentenheims im Sommer begonnen wird. Bis 2017 sollte es stehen."

In der U-Bahn-Passage zwischen Hauptbahnhof und Bonner Loch ist es laut. Neben den Gesprächen der zahlreichen Reisenden und Gästen der Imbissbuden, sorgen zwei Obdachlose für zusätzlichen Lärm. Es geht um eine halb volle Flasche Wodka. Erst als sich zwei Polizeibeamte nähern, beruhigt sich die Situation. In Eintracht begeben sich die Streithähne Richtung Busbahnhof. Augen für die "ausgefallene" Deckenkonstruktion haben sie nicht.

Das geht vielen Passanten anders. Löcher in der Decke offenbaren seit Monaten Kabel, Schmutz und Staub. Es besteht sogar die Gefahr, dass sich einzelne Deckenteile lösen könnten. Die Reparatur kostet rund 4000 Euro. Eigentlich ein überschaubarer Betrag. Doch lange war nicht klar, wer für die Kosten aufkommt. Laut Presseamt der Stadt habe sich die Verwaltung mit der Eigentümergemeinschaft der Südüberbauung darauf geeinigt, gemeinsam die Kosten für die Reparatur zu übernehmen. Die Gemeinschaft werde nun als nächsten Schritt die Sanierung beauftragen.

In der Diskussion um die Südüberbauung herrscht momentan Stillstand. Das triste Gebäude ist vielen Bonnern seit Jahren ein Dorn im Auge. Und auch ankommenden Reisenden am Hauptbahnhof wird der graue Betonklotz nicht in positiver Erinnerung bleiben. Eine Modernisierung ist seit Jahrzehnten geplant. Herrscht in der Diskussion Stille, ist es bei Investoren ein buntes Treiben. Interessierte kommen und gehen. Mit den 42 Eigentümerparteien konnte sich noch niemand auf ein Konzept der Neugestaltung einigen.

Noch Anfang Januar hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme der Stadtverwaltung, Abriss und Neubau seien gescheitert. Diese Aussage sorgte für Verwirrung. Denn neben den Investoren halten zahlreiche Parteien den Abriss für die optimale Lösung. Die Verwaltung ruderte mittlerweile zurück. Die Hoffnungen ruhen auf dem niederländischen Investor Albert Ten Brinke, der mit Hilfe eines Ankermieters eine schnelle Einigung herbeiführen möchte.

"Aktuell gibt es noch keine neue Entwicklung. Aber es wird an einer Lösung gearbeitet", erklärte eine Sprecherin des Investors dem GA. Das von Ten Brinke gewünschte Maximilian-Center könnte 2017 fertig gestellt werden. Inklusive Bonner Loch, das den bedrohlichen Charakter der Vergangenheit schon jetzt verloren hat. Dank der Ansiedlung eines eigenen Polizeireviers und eines Alkoholverbots hat sich die Drogen- und Obdachlosenproblematik verlagert - zum Busbahnhof.

Vier Investoren haben ein Angebot eingereicht

Auch das Nordfeld an der Rabinstraße soll neu gestaltet werden. Vier Investoren haben Angebote für das Bauprojekt eingereicht. Im März soll ein weiteres Angebot eines Interessierten folgen. Laut Stadt werden auch die Planungen dieses Angebotes den politischen Gremien, dem Städtebau- und Gestaltungsbeirat sowie der Öffentlichkeit vorgestellt. Kommt es zu keiner weiteren Verzögerung, entscheidet der Rat im Sommer über den Siegerentwurf.

Es regnet nicht mehr, die Sonne scheint. Das kommt den wartenden Fahrgästen der Bonner Buslinien gerade recht. Die schmalen, maroden Dächer am Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) bieten nur wenig Schutz gegen Wind und Nässe. Über die engen Wartesteige drängen sich viele Berufspendler um die Fahrplantafeln. Zu viele. Immer wieder müssen einzelne Personen auf die Straße ausweichen.

Die Problematik ist der Stadt bereits bekannt. Der Umbau des ZOB soll 9,8 Millionen Euro kosten. Doch die Realisierung steht in den Sternen. Der Nahverkehr Rheinland hat etliche Zuschüsse vorerst auf Eis gelegt, da die Finanzierung von Investitionsprogrammen unklar ist. Eine Modernisierung des Busbahnhofes ist jedoch unverzichtbar. Der Zugang ist nicht barrierefrei. Das ist aber ab 2022 gesetzlich vorgeschrieben.

Weitaus weniger ist am Fernbusbahnhof an der Thomastraße los. Mit ihrem Gepäck warten rund 20 Menschen auf den Fernbus, mit dem sie Bonn verlassen. Ein längerer Aufenthalt ist hier alles andere als komfortabel. Es fehlt an einer Toilette und der Wartebereich ist heruntergekommen. Eine kurzfristige Lösung plant die Stadt nicht. 2016 werde die Haltestelle ohnehin an die Zurich-Versicherung an die Rabinstraße umgesiedelt, dann auch mit Toilette. Davon haben die heute Abreisenden allerdings nichts. Ihnen bleibt ein letzter schlechter Eindruck der Bundesstadt. "Es wirkt alles einfach so lieblos", sagt eine ältere Dame. Manchmal ist einfach eben doch nicht so schön.

Der Bonner Hauptbahnhof und seine Baustellen - eine unendliche Geschichte. Die multimediale Reportage von Simon Bartsch auf www.ga.de/hauptbahnhof

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