Einfach dazugesetzt und gemalt
BONN · Besucher des VfG-Begegnungscafés und Alanusschüler starten ein gemeinsames Kunstprojekt.
Die beiden Gesichter schmiegen sich liebevoll und vertraut aneinander. Einzig die Farbwahl in Braun- und Rottönen wirkt düster und ein wenig alarmierend. "Ich habe einfach drauflosgemalt", erzählt Stephan. "Ich wusste bisher gar nicht, dass ich so etwas überhaupt kann."
Seit mehr als 30 Jahren ist der 52-Jährige drogenabhängig. Das Kontaktcafé des Bonner Vereins für Gefährdetenhilfe (VfG) in der Quantiusstraße ist für ihn seit Jahrzenten ein vertrauter Anlauf- und Treffpunkt. Dort bekommt er Hilfe und lernt andere kennen. In dieser Umgebung bemerkte er eines Tages die Alanusstudenten Inge de Vries, Dilberay Köle und Fabian Seemann. Sie hatten sich an einen Tisch gesetzt, ihre Utensilien ausgepackt und begannen zu skizzieren.
"Erst habe ich mich natürlich über sie lustig gemacht", erinnert sich Stephan noch genau. Doch nach kurzer Zeit war das Eis gebrochen. Die Studenten von Ulrika Eller-Rüter berichteten von ihrer Idee, gemeinsam mit den Besuchern des VfG ein Kunstprojekt zu starten.
Viel Überzeugungsarbeit mussten die Studenten nicht leisten. "Ich habe mich einfach dazugesetzt und gemalt", erinnert sich Stephan zurück. Jetzt ist sein Bild im "Wohnzimmer der Obdachlosen", wie Caféleiter Mike Schütte den Treffpunkt nennt, zu bewundert. Insgesamt gestalteten die VfG-Besucher 30 ganz verschiedene Leinwände, die jetzt als kleine Galerie gezeigt werden. "Wir sind ein Teil der Gesellschaft. Ich bin sehr froh darüber, dass die Studenten auch Obdachlosen und Drogenabhängigen die Möglichkeit gegeben haben, neue, bisher nicht entdeckte Fähigkeiten hervorzubringen", freut sich Nelly Grunwald, Leiterin des Betreuungszentrums.
Für Dozentin Ulrika Eller-Rüter, in deren Seminar "Places and Spaces" dieses Projekt entwickelt wurde, ist es wichtig, dass Kunst im gesellschaftlichen Kontext stattfindet. "Kunst muss immer etwas anstoßen", erklärte sie, als sie die Bilder betrachtete. Eine Mischung aus verschiedenen abstrakten Formen, gepaart mit zwei Augen, hat Andy (43) auf die Leinwand gebracht. "Es war schon sehr spannend, nach Jahren mal wieder etwas ganz Neues auszuprobieren", erzählt er. "In Zukunft werde ich aber lieber mit meinem Sohn zu Hause malen", ergänzt er lachend.
Nelly Grunwald ist von der Aktion so begeistert, dass sie bereits das nächste Projekt mit den Studenten plant. Im Sommer werden die Alanusschüler wiederkommen, um gemeinsam mit den VfG-Klienten im Außenbereich zu arbeiten. "Verraten wird aber noch nichts", schmunzelt sie. Allerdings weiß sie schon jetzt, dass dann noch mehr Cafébesucher zu Pinsel und Farbe greifen werden: "Erst waren alle neugierig und zögerlich. Aber beim nächsten Mal werden viele mit großer Begeisterung dabei sein." Zugesagt haben bereits die drei Studenten. "Natürlich kommen wir wieder", versprechen sie.