Frühlingstemperaturen in Bonn Eis essen im Herbstlaub

Bonn · Gefüllte Straßencafés, Temperaturen von fast 20 Grad und Schlangestehen an der Eisdiele: Dieser Tage erinnert einzig das bunte Herbstlaub daran, dass Frühling und Sommer längst vorbei sind.

 Bilder wie im Frühling von der Bonner Hofgartenwiese - wäre da nicht all das Herbstlaub: Jugendliche genießen das warme Wetter.

Bilder wie im Frühling von der Bonner Hofgartenwiese - wäre da nicht all das Herbstlaub: Jugendliche genießen das warme Wetter.

Foto: Andreas Dyck

Mit 19,8 Grad Celsius brachte der vergangene Samstag die höchste gemessene Temperatur seit fast 50 Jahren an einem Novembertag in Bonn mit sich. Auch die kommenden Tage soll es mild bleiben. Seit Jahrzehnten wird es in Europa wärmer, besonders im Herbst und im Winter. Das wird sich mittel- bis langfristig auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt auswirken.

Sergio Scala hat gute Laune. Der Mitinhaber eines Eiscafés am Kaiserplatz verkauft dank des warmen Wetters nach eigenen Angaben doppelt so viel Speiseeis wie sonst im November. "Normalerweise haben wir so ein Wetter höchstens mal im Oktober", sagt er. Doch der Oktober war unerwartet kalt und die milden Novembertage sind deshalb umso willkommener. Nun geht vor allem Milcheis über die Ladentheke, Sorten wie Schokolade und Cookies sind besonders beliebt.

Seine Kundin Barbara aus Bonn hat sich eine Kugel Amarena-Eis gekauft. Unter ihrem schwarzen Mantel ist ihr ohnehin viel zu warm und eine Abkühlung willkommen. "Morgens ist es mir zu kühl, tagsüber gehe ich Eis essen und abends friere ich wieder", sagt sie. Unweit des Eiscafés haben die drei Freundinnen Marie, Julia und Sabina die Beine hochgelegt und es sich auf zwei Parkbänken gemütlich gemacht. "Ich habe noch überhaupt keine Wintergefühle", sagt Julia. "Wären nicht die Herbstblätter, würde ich denken, es ist März."

Tief vor England sorgt für milde Temperaturen

Grund für das milde Wetter ist laut Andreas Hense ein Tiefdruckgebiet vor der Atlantikküste Englands, das warme Luft aus Spanien und Nordafrika nach Nordeuropa schaufelt. Der Meteorologe der Universität Bonn ist vorsichtig mit einem Urteil darüber, ob die steigenden Temperaturen mit dem Klimawandel zusammenhängen. Doch werde seit Anfang der 1960er Jahre beobachtet, dass die Temperaturen auf der nördlichen Erdhalbkugel kontinuierlich ansteigen.

In den vergangenen 15 Jahren sei der Temperaturanstieg zwar nicht mehr so stark, dabei handele es sich aber lediglich um natürliche Schwankungen. "Das könnte sich in den nächsten 15 Jahren genauso gut durch einen stärkeren Anstieg wieder ausgleichen", sagt Hense. Meteorologen wie er arbeiten daran, die Großwetterlage für Jahreszeiten vorherzusagen. "Ich denke, dass wir da auf einem guten Weg sind."

Auswirkungen auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt

Wolfram Lobin, Kustos der Botanischen Gärten der Universität Bonn, untersucht inzwischen, welche Auswirkungen das warme Wetter auf die heimische Tier- und Pflanzenwelt hat. "Wenn es tatsächlich langfristig wärmer bei uns wird, würde sich das Artengefüge verändern", sagt Lobin. Pflanzen, die bereits jetzt an der Grenze der Winterhärte stünden, würden bei einem mittel- bis langfristigen Anstieg um zwei Grad Celsius bei uns überwintern. "Eins steht ganz sicher fest", sagt Lubin. "Es wird sich bei uns etwas verändern." Das warme Novemberwetter der vergangen und kommenden Tage störe den Biorhythmus der Pflanzen aber nicht. Bei einigen Pflanzen verändere sich die Blütezeit, sonst habe das Wetter keine nennenswerten Auswirkungen. Entscheidender sei zum Beispiel die Tageslänge.

Auf der Hofgartenwiese haben sich Michael Arbanas und Sarah Moore mit einer Portion Milcheis ins trockene Laub gesetzt. Die beiden kommen aus Los Angeles und genießen sichtbar den goldenen Herbsttag. "Ich habe erwartet, dass es hier viel kälter ist", sagt der 21-Jährige. "Bei uns in Kalifornien ändern die Blätter ihre Farben nicht, das ist einfach nur wunderschön."

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