Wirtschaftsförderung in Bonn "Ende der Gewerbeflächen ist abzusehen"

BONN · Auch wenn Bonn beim Arbeitsmarkt auf Wachstumskurs und die Nachfrage nach Büroraum und Gewerbeflächen ungebrochen ist, muss die Bundesstadt noch einiges tun, damit die wirtschaftliche Zukunft gesichert ist - Ein Bilanzgespräch mit der städtischen Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe. Bonn wirbt für mehr Selbstständige.

"Rund 2000 Ansiedlungs- und Investitionsvorhaben in sechs Jahren sowie mehr als 2000 Existenzgründungen in diesem Zeitraum durch die Wirtschaftsförderung sind zwar gut, aber wir wollen noch besser werden", meint Victoria Appelbe, die vor genau sechs Jahren Wirtschaftsförderin in Bonn wurde. "Qualitätssicherung hat für uns oberste Priorität, wir müssen dennoch mit Steuerungsmöglichkeiten stärker nachfassen, wo wir noch besser werden können", so die gebürtige Britin.

Bonn-Profits

Bonn steht beispielsweise mit einer Selbstständigkeitsquote von acht Prozent, zwei Punkte unterhalb des NRW-Durchschnitts. "Das ist ein Bereich, auf den wir uns konzentrieren", so Appelbe. "Deswegen haben wir vor drei Jahren gemeinsam mit der Sparkasse Köln-Bonn die Initiative Bonn-Profits ins Leben gerufen, mit der wir gezielt Gründerinnen und Gründer aus den für Bonn sehr wichtigen wissensintensiven Dienstleistungen in den Fokus nehmen." Das BonnProfits Innovations- und Gründungszentrum an der Godesberger Allee 139 ist mit 31 Unternehmen zu 95 Prozent ausgelastet. Gut die Hälfte kommt aus dem IT-Sektor.

Doch auch mit der Universität Bonn bestehen Kooperationen, um bei Studierenden und Wissenschaftlern für Selbstständigkeiten zu werben. Appelbe: "Es sind schon einige interessante Unternehmen gegründet worden." Zum Beispiel WeGrow, das nationale und internationale Kiribaum-Projekte entwickelt und umsetzt. Oder die Dr. Lang Steuerberatungsgesellschaft mbH. Oder die Youcook GmbH, die Fertiggerichte zum Selbstkochen anbietet.

Gewerbegebiete

"Aber wir dürfen eben auch nicht die Entwicklung im gewerblichen Sektor aus dem Auge verlieren", so Appelbe. Von rund 452 Hektar Gewerbeflächen in Bonn sind zurzeit lediglich 6,6 Hektar in städtischem Eigentum sofort verfügbar - das meiste davon mit rund 5,4 Hektar im Gewerbegebiet Bonn-West, das sich "sehr gut" entwickelt habe, wie Appelbe findet. Immerhin haben sich dort inzwischen 45 Unternehmen niedergelassen - vom Handwerksbetrieb über Dienstleister, vom produzierenden Gewerbe bis hin zu Betrieben aus der Lebensmittelbranche.

Beuel: Potenzial hat der sogenannte Büro- und Gewerbepark (früher: Wissenschaftspark) in Bechlinghoven, der neu ausgerichtet wird. Die Ausrichtung wird derzeit mit der NRW.Urban an die neue Nachfrage angepasst. Die rund elf Hektar sollen eine flexiblere Parzellierung ab 1000 Quadratmetern Größe bekommen, weil insbesondere mittelständische Unternehmen anfragen. Im September ausgeschrieben wurden die 1,9 Hektar Am Mühlenbach am anderen Ende des Areals zwischen B56 und Siegburger Straße.

"Die Verkaufsgespräche laufen noch, doch das Gebiet wird auf jeden Fall gleich zu hundert Prozent vermarktet. In Frage kommen hier nur Dienstleister und Gewerbe, das das benachbarte Wohngebiet nicht stört", so Appelbe. "Bewegung" sei auch in Beuel-Ost zu verspüren - etwa beim Areal der ehemaligen AWA Andernach.

Buschdorf: Nachdem sich die DHL mit einem neuen Postverteilungszentrum in Buschdorf angesiedelt hat, ist die Verwaltung dabei, das Gebiet neu zu entwickeln. Dafür sind Tausche der Areale für Wohnbebauung und Gewerbe vorgesehen. "Aber die Grenzen der Entwicklung sind abzusehen. In zehn Jahren ist Schluss", sagt Appelbe. Umso erfreulicher wäre es aus ihrer Sicht, wenn auch mehr Flächen, die sich in privater Hand befinden, konzeptionell entwickelt werden könnten.

Büromarkt

Während sich der gewerbliche Bereich vor allem aus bestehendem Bestand entwickelt, also Bonner Unternehmen expandieren oder sich verlagern möchten, wächst der Büromarkt eher überregional. Manchmal müsse man eben auch akzeptieren, wenn Unternehmen aus Bonn wegziehen - aus welchen Gründen auch immer. Bei der Media Broadcast GmbH etwa war es so, dass das international agierende Unternehmen mit rund 900 Arbeitsplätzen allein in Deutschland und einem Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro seine beiden Standorte zum Jahreswechsel in Köln konzentriert hat.

Andererseits sei gerade die SER-Gruppe mit etwa 250 Mitarbeitern von Neustadt/Wied an den Bonner Bogen gezogen. Kürzlich verlegte das IT- und Management Beratungsunternehmen Axxessio, das bereits Standorte in Darmstadt und im schweizerischen Bern unterhält, sein Hauptquartier von Köln nach Bonn an die Bad Godesberger Kurfürstenallee.

"Wir wissen, dass in Bonn und in der gesamten Rheinschiene viele potenzielle Projekte und Kunden für uns beheimatet sind. Und wir haben mit der UN-Stadt Bonn eine sehr gute Plattform insbesondere für den weiteren Ausbau unseres internationalen Geschäfts", beschrieben die beiden Geschäftsführer der Axxessio GmbH Goodarz Mahbobi und Walter Brux kürzlich bei der Eröffnung ihre Gründe für die Entscheidung.

Dass in diesem Bereich noch viel Entwicklungspotenzial liegt, das bewiesen Investoren wie etwa Marc Asbeck, der Bürogebäude entwickelt, ohne dass die Nutzer feststünden. "Der Kaufmann weiß eben, dass Vorratsbauten in Bonn kein Risiko sind", so Appelbe.

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