Zwangsweise Stromabschaltungen Warum Bonnern plötzlich das Licht ausgeht

Bonn · Offene Stromrechnungen: Insgesamt rund 1000 Mal wurde 2018 Kunden in Bonn der Strom gesperrt. Ein Arbeitskreis will diese Zahl nun minimieren.

Im Gespräch: Peter Kox, Heike Keilhofer (2.v.l.) und Elske Göhler (r.) sowie Carolin Herpertz.

Im Gespräch: Peter Kox, Heike Keilhofer (2.v.l.) und Elske Göhler (r.) sowie Carolin Herpertz.

Foto: Stefan Knopp

Plötzlich ist der Strom weg, man sitzt im Dunkeln, Heizung, Fernseher und Herd funktionieren nicht, der Kühlschrank taut ab. Niemand will, dass es soweit kommt, aber die Energieanbieter sehen sich manchmal gezwungen, Menschen den Strom abzustellen, wenn sie ihn nicht bezahlen. Dagegen geht der Arbeitskreis "Energiesperrungen vermeiden" mit Beratung und Information vor. Am Freitag veranstaltete er einen Infotag im Stadthaus.

Dort hörten vor allem Multiplikatoren aus sozialen Einrichtungen Vorträge wie den von Stephan Herpertz, Energieberater der Bonner Verbraucherzentrale. Er klärte unter anderem darüber auf, dass man sich die Hände mit kaltem Wasser waschen kann, nicht unter fließendem Wasser spülen sollte, Kühlschränke nicht zu kalt stellen muss und mehr. Er warnte vor dem Stand-by-Betrieb von Geräten und Lichtquellen, die etwa an sprachgesteuerte elektronische Systeme gekoppelt sind und dafür immer mit Energie versorgt werden. Und er nannte Anschaffungen wie moderne Durchlauferhitzer, LED-Leuchten, wassersparende Duschköpfe und Stecker-Solar-Geräte für Balkon und Garten, mit denen auch Mieter und Geringverdiener Sonnenenergie nutzen können. Das schaffe auch ein Bewusstsein fürs Energiesparen.

Solche Anschaffungen sind für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, aber oft ein Problem. Dafür müssten sie Darlehen aufnehmen, sprich Schulden machen, sagte Ulrich Franz vom Runden Tisch gegen Kinder- und Familienarmut, den Caritas und Diakonie in Bonn ins Leben gerufen haben. Den Durchlauferhitzer auszutauschen sei Vermietersache, "aber die versuchen oft, Kosten zu vermeiden". Hinzu komme, das der in den Sozialleistungen enthaltene Stromsatz kaum ausreiche, um alles zu bezahlen.

Rechtzeitige Beratungen soll Abschaltungen verhindern

Sofern sich Menschen beim Arbeitskreis oder bei den Stadtwerken melden, die wegen ausbleibender Zahlungen abgemahnt wurden, werden sie beraten, und der Arbeitskreis bemüht sich um einen Aufschub und um Ratenzahlungen. Es gebe aber auch die Fälle, die man nicht erreicht, weil sie die Briefe erst gar nicht öffnen. Der Mieterbund zum Beispiel erhalte von den Stadtwerken eine anonymisierte Information über eine anstehende Stromsperre, auf die man reagieren könne, sagte Mitarbeiterin Heike Keilhofer. Außerdem würden die Arbeitskreis-Mitglieder in Kenntnis gesetzt.

Manchmal nützt all das nichts. Aber, erklärte Carolin Herpertz von den SWB Energie und Wasser, seit der Arbeitskreis "Energiesperren vermeiden" die Arbeit aufgenommen hat, habe sich die Situation verbessert. Vor 2015 habe es durchschnittlich rund 1500 Sperren im Jahr gegeben, 2018 seien es nur noch etwas mehr als 1000 gewesen. "In den allermeisten Fällen entsperren wir am gleichen oder spätestens am darauffolgenden Tag wieder."

Der Bonner Linkspartei ist die Zahl noch zu hoch. In einer Pressemitteilung wiederholt sie die Forderung nach einem vergünstigten Ökostrom-Sozialtarif für Inhaber des Bonn-Ausweises. "Eine hinreichende Stromversorgung ist ein Grundbedarf, der nicht von der Größe des Geldbeutels abhängen darf", so die Linken.

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