Haus Dottendorf Erst am Abend kam das endgültige Aus

BONN · Stunden der Ungewissheit und des Wartens am MIttwoch im Haus Dottendorf. Erst am Abend war dann klar: Die restlichen Bewohner müssen das Seniorenheim verlassen.

Denn auch das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG), vor dem die Dortmunder Senator GmbH als Heimbetreiberin am Dienstag Widerspruch gegen die morgens vom Verwaltungsgericht Köln verfügte Schließung eingelegt hatte, machte den Weg für die sofortige Schließung frei.

Zwar traf das OVG noch keine abschließende Entscheidung, gab der Stadt aber grünes Licht für die Räumung und berief sich auf die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts, das gestern Abend seine Begründung bekanntgab: Senator biete nicht die Gewähr für eine kurzfristige Aufarbeitung der erheblichen strukturellen und personellen Mängel in der Betriebsführung. Nach wie vor bestehe ein hohes Risiko für die in der Einrichtung verbliebenen pflegebedürftigen Bewohner, wegen unzureichender Pflege Schäden an Gesundheit oder gar Leben zu erleiden.

Die Führungsstruktur sei nach wie vor unzureichend und es bestünden offensichtliche Kommunikationsmängel zwischen den Verantwortlichen vor Ort und den überörtlichen Vertretern der Betreibergesellschaft, so das Gericht. Dies zeige sich etwa daran, dass der weitere Einsatz von Pflegekräften geplant sei, die vom Betreiber zuvor selbst gegenüber der Stadt Bonn als ungeeignet bezeichnet worden waren.

Damit kann keiner der 24 Bewohner, die morgens noch im Heim waren, bleiben. Auch Michael Reinehr nicht. Dabei möchte er nicht weg. Vor dreieinhalb Jahren starb seine Frau, seitdem wohnt der frühere Postbote von Kessenich im Haus Dottendorf. Er ist nicht mehr so gut zu Fuß, und so kümmerte sich seine Stieftochter gestern um alles. "Ich finde es nicht in Ordnung, wie man hier mit den Menschen umgeht", sagte sie und kritisierte die Heimaufsicht: "Die hätten dem Heim eine Chance geben können."

Nun warten alle auf die Schließung - bei Kaffee und Schnittchen. "Hier war alles wunderbar", sagte Michael Müller. Vor fünf Jahren erlitt er einen Schlaganfall, seit zwei Jahren ist Haus Dottendorf sein Zuhause. Der bekennende Fan des 1. FC Köln war Wirt der Fürsten-Stube an der Burbacher Straße. "Ich kann das alles nicht mehr nachvollziehen", sagte seine Tochter Barbara Grein zu den Vorwürfen, dass bei der Pflege zuletzt vieles nicht mehr stimmte. "Wir hängen hier in der Luft."

Hanna Kickel, Inhaberin der Weinstube Alt Kessenich, versicherte: "Ich war immer zufrieden, sonst wäre meine Mutter nicht hier." Die 85-jährige Hildegard Kickel war selbst 35 Jahre lang Wirtin, führte den Karthäuser Hof in Kessenich. Jetzt muss sie nach Siegburg. Ein Trost für sie: Mit ihr ziehen auch die Heimnachbarn Reinehr und Müller dorthin um.

Ein junger Mann vom Pflegeteam sieht als Gründe für die Misere Wechsel bei der Pflegedienstleitung und weiterem Personal. Und: Einige Bewohner hätten mit der Zeit immer intensiverer Pflege bedurft, seien in der Pflegestufe aber nicht hochgesetzt worden. Die Folge: völlige Überlastung.

Den Umzug von 65 Bewohnern vor zwei Wochen und jetzt noch mal 24 haben auch Bonner Krankenhäuser zu spüren bekommen. So hatte gestern das St. Marien-Hospital Probleme, einem hilflosen Patienten ohne Angehörige eine Kurzzeitpflege zu vermitteln. Corinna Contenius vom Sozialdienst wurde nach eigenen Angaben vertröstet, da Bewohner aus Dottendorf nach Swisttal-Odendorf und eben Siegburg - dort sogar zehn Personen - kamen.

Nach Angaben von Senator bestehen die Pachtverträge für das Haus Dottendorf noch viele Jahre. Und eigentlich plane die Firma, dort weiterhin ein Seniorenheim zu betreiben. "Die jetzige Situation ist kaum noch zu entschuldigen und zu ertragen", sagte allerdings gestern Bodo Barwig, Geschäftsführer Senator NRW.

Gestern Abend ging dann alles ganz schnell: Krankenwagen fuhren vor und brachten die restlichen Bewohner in andere Heime. Sozialdezernentin Angelika Maria Wahrheit berichtet gestern Abend in der Sitzung des Bonner Stadtrats, dass Senator gestern im Laufe des Tages zwei Heimbewohner verlegt habe, weil sie mit Krankenhaus-Keimen infiziert seien. Die Senator GmbH will heute zu den Vorgängen Stellung nehmen.

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