Kritik am Ausbildungssystem für Psychotherapeuten "Erst Studium, dann Ausbeutung"

BONN · Wer später als Psychotherapeut arbeitet, verdient gut und hat genug Patienten. Meist muss man ein halbes Jahr auf einen Termin warten, weil die Praxen so rar gesät und überfüllt sind. Der Weg dorthin ist allerdings schwierig.

 Gegen schlechte Arbeitsbedingungen der Psychotherapeuten-Ausbildung demonstrieren Studenten auf dem Münsterplatz.

Gegen schlechte Arbeitsbedingungen der Psychotherapeuten-Ausbildung demonstrieren Studenten auf dem Münsterplatz.

Foto: Nicolas Ottersbach

"Die Ausbildung ist reine Ausbeutung", sagte Julia Weber von der Psychologie-Fachschaft der Uni Bonn. Nach dem bestandenen Bachelor- und anschließenden Master-Studiengang darf man noch nicht den Beruf ausüben. Eine zusätzliche Ausbildung ist nötig, die je nach Schwerpunkt und Teil- oder Vollzeitbeschäftigung drei bis fünf Jahre dauert. "In dieser Zeit arbeiten mehr als die Hälfte aber ohne Gehalt und haben den Status eines Praktikanten, ohne Streikrecht und einheitliche Arbeitsverträge", erklärte Weber. Unter der Woche behandelten die Auszubildenden ihre Patienten oft mit schlechter Betreuung durch erfahrene Therapeuten, am Wochenende werde die spezielle Schule besucht.

Das Problem: Je nach Institution und Schwerpunkt kosten diese Lehrgänge zwischen 10.000 und 30.000 Euro, die von vielen nur durch Kredite finanziert werden können. Anne Wertenbruch spart seit Beginn ihres Studiums. Bis zu ihrem jetzigen letzten Mastersemester hat sie rund 3500 Euro beiseitegelegt. "Mehr als 4000 Euro darf ich ohnehin nicht ansparen, weil der Überschuss sonst vom Bafög abgezogen wird", sagte die 24-Jährige. Bereits zu Beginn ihres Studiums musste sie für Jahre planen.

Dass Berufsplanung einen die gesamte Studienzeit begleitet, bestätigte Felix Benninghoff (21), der aus Solidarität mitmachte und Unterschriften für einen offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten der Region sammelte. "Ich will später in die Forschung gehen, aber meine Kommilitonen unterstützen", sagte er.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung. Seit der Bologna-Reform gibt es das Diplom nicht mehr, für die Schulen ist das aber immer noch die Anerkennungsgrundlage. "Wir müssen also vorher Äquivalenzbescheinigungen bei den Prüfungsämtern anfordern, weil nicht klar geregelt ist, wie viele Credits man für die Ausbildung benötigt und welcher Abschluss offiziell qualifizierend ist", so Julia Weber.

Die angehenden Psychotherapeuten in Ausbildung, kurz "PiA", hatten sich auf den vergangenen, bundesweiten Fachschaftstreffen für eine bundesweite Demonstration verständigt. Auch in Münster, Osnabrück, München und Berlin gingen "PiAs" und Studenten auf die Straße.

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