Symposium in Bonn Ertaubter Beethoven hätte heute Hilfe bekommen

Bonn · Ein Symposium am Bonner Universitätsklinikum beschäftigt sich mit Beethovens Schwerhörigkeit. Die Wissenschaftler stellen sich die Frage, ob man den Komponisten heute hätte heilen können.

 Die Organisatoren des Beethoven-Symposiums: (v.l.) Wolfgang Holzgreve, Claudia Spahn, Malte Boecker und Bernhard Richter.

Die Organisatoren des Beethoven-Symposiums: (v.l.) Wolfgang Holzgreve, Claudia Spahn, Malte Boecker und Bernhard Richter.

Foto: Thomas Kölsch

Ludwig van Beethoven galt und gilt als musikalisches Genie, dessen Werke jeder kennt oder zumindest kennen sollte. Mindestens ebenso bekannt ist ein bestimmtes Charakteristikum des berühmten Komponisten: seine Taubheit. Dieser Behinderung haben die Beethoven-Jubiläums-GmbH, das Universitätsklinikum Bonn (UKB) und das Freiburger Institut für Musikermedizin (FIM) nun am vergangenen Wochenende ein Symposium in physischer und digitaler Form gewidmet, das unter dem Titel „Der Gehörte und der Gehörlose“ trotz steigender Corona-Infektionszahlen im Biomedizinischen Zentrum auf dem Venusberg stattfand. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, in welcher Beziehung Beethovens Hörschwäche und sein Schaffensprozess standen – und ob man ihn heute hätte behandeln können.

„Zunächst einmal müsste man klären, ob Beethoven an einer Störung des Mittel- oder des Innenohres litt“, führte Professor Bernhard Richter, Leiter des FIM, während eines Pressegesprächs direkt im Vorfeld des Symposiums aus. „Am wahrscheinlichsten gilt derzeit Letzteres – dann würde man ihm ein Cochlea-Implantat einsetzen, um zumindest seine kommunikativen Fähigkeiten wieder herzustellen.“ Immerhin sei Beethoven durch die Taubheit nicht nur künstlerisch, sondern auch gesellschaftlich beeinträchtigt gewesen. „In gewisser Weise war er ein Vorbild des social distancings“, propagierte der künstlerische Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft, Malte Boecker. Eine gewagte These, die aber innerhalb des Tagungsprogramms keine größere Relevanz hatte. Stattdessen stand der erste Tag im Zeichen der medizinischen Komponente von Beethovens Taubheit – mit Vorträgen über die Erkenntnisse im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert sowie über die Möglichkeiten von heute. Der zweite Tag drehte sich dagegen eher um die Auswirkungen seiner Erkrankungen auf sein künstlerisches Schaffen, insbesondere auf die anspruchsvollen Chorwerke wie etwa die „Missa Solemnis“.

Obwohl zu Beethovens Zeit eine Heilung seines Leidens noch nicht möglich war, stand dieser doch in regem Austausch mit Medizinern und interessierte sich für neueste Forschungen. „Der Bonner Arzt Julius Wegeler war ein enger Freund Beethovens, ihm hat er seine Symptome ausführlich beschrieben und ihn auch um Rat gefragt“, erläuterte Boecker. „Er probierte viele Behandlungsmethoden aus, auch solche, die ihm letztlich mehr schadeten als halfen“, ergänzte Richter, der zusammen mit Professorin Claudia Spahn (FIM) die wissenschaftliche Koordination des Symposiums übernommen hatte. „Für ihn war es bitter, dass er zum Beispiel sein 5. Klavierkonzert nicht mehr selbst aufführen konnte oder dass er den tosenden Applaus bei der Uraufführung seiner 9. Sinfonie nicht mehr hörte.“ Mit modernster Technik wäre diese Einschränkung heutzutage zumindest ansatzweise zu beheben.

„Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass es in der Medizin beständig große Fortschritte gibt und vieles, was früher als nicht behandelbar galt, inzwischen gut therapierbar ist“, betonte Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKB.

Die Ergebnisse des Symposiums können ab Montag, 19. Oktober, in Form eines E-Books in deutscher und englischer Sprache unter www.bthvn2020.de/programm/sense-of-hearing-symposium heruntergeladen werden.

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