Podiumsdiskussion in der Deutschen Welle "Es fehlt ein Migrationsgipfel"

BONN · Weltweit sind aktuell rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung. Die meisten kommen gar nicht nach Europa, sondern leben in vergleichsweise sicheren Regionen in Afrika.

Dort wiederum gibt es zwar große Flüchtlingslager, "aber 60 Prozent der Menschen sind außerhalb von Lagern bei Privatleuten untergekommen", sagte Bernhard von Grünberg. Zum Beispiel in Erbil im Nordirak.

In seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der UNO-Flüchtlingshilfe diskutierte von Grünberg am Freitag mit Elke Löbel vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Nothelfer Jürgen Mika von der Welthungerhilfe und dem globalen Netzwerker Kilian Kleinschmidt über "Neue Wege in der Flüchtlingshilfe". Die Veranstaltung in der Deutschen Welle, die die UNO-Flüchtlingshilfe mit der Welthungerhilfe und dem BMZ durchführte, war gut besucht. Die Teilnehmer stellten sich die Frage, was man aus Erfahrungen in Afrika für die Flüchtlingshilfe in Europa lernen könne.

Zunächst wurde das Flüchtlingslager Za'atari in Jordanien vorgestellt, das Kleinschmidt geleitet hat. "Wir haben gelernt: Individualität ist das, was den Menschen wieder Sicherheit und ein Heimatgefühl gibt." Deshalb habe man zugelassen, dass die Flüchtlinge das Camp nach eigenem Geschmack gestalten. Auf diese Weise entstand eine Stadt mit heute mehr als 80 000 Einwohnern, eigenen Geschäften und Infrastruktur sowie Ausbildungsmöglichkeiten. Doch innerhalb der Camps fehlten Arbeits- und Zukunftsperspektiven, auch außerhalb könnte kaum ein Flüchtling Arbeit finden. Das gelte noch stärker für das Camp Kakuma in Nordkenia, in dem rund 180 000 Menschen leben.

"Man muss die Menschen in die Wirtschaft einbinden", sagte Mika. Das gelte auch für Deutschland. Von Grünberg stimmte zu: "Wir müssen diese Menschen auch als wirkliches Arbeitspotenzial ansehen." Das bedeute, ihnen Arbeitsmöglichkeiten und günstigen Wohnraum zu bieten.

Man müsse deutsche Unternehmen dazu bringen, in Ländern wie Jordanien zu investieren, wo inzwischen auf vier Einwohner ein Flüchtling komme, sagte Löbel. Kleinschmidt kritisierte: "Es fehlt ein Migrationsgipfel." Eins habe die Flüchtlingskrise in Ländern wie Österreich und Deutschland bewirkt, meinte er mit Blick auf die große Hilfsbereitschaft der Bürger: "Wir haben alle endlich wieder begriffen, dass wir Teil des Staates sind."

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