Metropolregion Rheinland „Es ist wichtig ein Wir-Gefühl zu entwickeln“

Bonn/Region · Der Verein Metropolregion Rheinland soll am Montag gegründet werden. Sein Ziel ist, das Rheinland im globalen Wettbewerb zu positionieren und attraktiv zu gestalten. Ein Interview mit dem Professor für Raumordnung, Thorsten Wiechmann.

 Thorsten Wiechmann ist Professor für Raumordnung.

Thorsten Wiechmann ist Professor für Raumordnung.

Foto: privat

Was kann so eine Metropolregion leisten?

Thorsten Wiechmann: Das hängt davon ab, wie man sie aufstellt. Die Metropolregion Rhein-Neckar zum Beispiel ist eine starke, weil die Wirtschaft dort maßgeblich beteiligt ist und die Verwaltungen über Landesgrenzen gut zusammenarbeiten. Hamburg mit den angrenzenden Regionen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben mehrere Förderfonds entwickelt, mit denen sie vieles umsetzen können. Es gibt andere Regionen, wo es eher zäh läuft. Wenn man nur darauf hofft, einen Regen an Fördermitteln aus Brüssel oder Berlin zu empfangen, dann funktioniert das nicht.

Wo steht da die Metropolregion Rheinland?

Wiechmann: Ich bin nicht sicher, ob sie so, wie sie sich jetzt aufstellt, konsequent gedacht ist. Man zögert noch und traut sich nicht so recht. Was die Beteiligten und die Fläche angeht, ist sie sehr groß gedacht. Was die Umsetzung und die konkreten Schritte angeht, ist sie eher kurz gedacht.

Woran machen Sie das fest?

Wiechmann: Mit der Ausdehnung von der Eifel bis zum Niederrhein ist es eine flächenmäßig sehr groß aufgestellte Region. Elf Großstädte und 13 Landkreise mit acht Millionen Menschen unter einen Hut zu bringen, das ist schon sehr sportlich. Da wollen viele mitreden und beteiligt werden. Andererseits ist das Budget mit insgesamt nicht einmal einer Million Euro sehr klein. Damit kann man kaum etwas machen.

Wie steht das Rheinland hier im Vergleich da?

Wiechmann: Eine Region wie Hamburg hat jedes Jahr ungefähr zwei Millionen Euro nur für Projektförderung zur Verfügung. Da ist das Geld für Geschäftsführung und Verwaltung noch gar nicht drin. Es kommt im Rheinland nun sehr darauf an, wie weit die regionalen Akteure bereit sind, gemeinsam und nicht nur an ihren eigenen Kirchturm zu denken.

Was könnte mit einer Metropolregion entwickelt werden?

Wiechmann: Das Wichtigste ist die Perspektive des internationalen Standortwettbewerbs. Man muss sichtbar und wahrnehmbar sein. Köln und Düsseldorf sind allein nicht groß genug, um global mitspielen zu können. Das Rheinland ist es aber. Es hat zwar keine einzelne Stadt auf einer Ebene mit Berlin oder München, Paris oder London. In der Summe ist es aber mit die stärkste Metropolregion in Deutschland – wenn sie sich zusammentut. Es ist schon absurd, dass sich das Rheinland bisher aus albernen Animositäten zwischen Köln und Düsseldorf einer Kooperation verweigert hat. Mancherorts ist man in Deutschland weiter als hier.

Das ist die Wirkung nach außen. Wie wichtig ist denn die nach innen?

Wiechmann: Fast genau so wichtig. Es kommt darauf an, sich als Region zu verstehen, regionale Identitäten herauszubilden, ein Wir-Gefühl zu entwickeln, auch bei den Entscheidungsträgern, weil die Menschen in einer Region oft viel regionaler sind als das politische Denken und erst recht als Verwaltungsstrukturen. Wenn ich hier wohne, ist mir doch egal, ob die kulturellen Angebote in der Nachbarstadt oder vielleicht sogar in einem anderen Regierungsbezirk liegen.

Was sind die ersten wichtigen Aufgaben aus Ihrer Sicht?

Wiechmann: Eigentlich müsste die Region jetzt darüber reden, mehr Mittel reinzustecken, damit sie mehr umsetzen kann. Dann könnten die Menschen auch erkennen, dass die Metropolregion sinnvoll ist. Wenn man das Budget im Wesentlichen dazu einsetzen muss, um sich zu treffen und am Ende des Austausches kein Geld mehr da ist, um Projekte umzusetzen, dann muss das zu Frustration führen.

Die Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken hat im Interview mit unserer Zeitung klargemacht, dass die Metropolregion Rheinland auch ein Gegengewicht zum Ruhrgebiet sein soll und man dieser Region damit Fördermittel streitig machen will. Ein sinnvolles Ziel?

Wiechmann: Nein. Da stecken zwei Denkfehler drin. Es darf nicht das primäre Ziel sein, Fördermittel zu akquirieren, sondern gemeinsam die Region weiterentwickeln zu wollen – auch wenn man natürlich bessere Argumente auf der Hand hat, wenn man bei Wettbewerben im regionalen Konsens antritt. Der zweite Fehler ist, das Ruhrgebiet als Konkurrenten zu sehen. Mal abgesehen davon, dass das Rheinland wirtschaftlich stärker ist, gibt es doch schon jetzt eine sehr enge Verflechtung etwa zwischen Düsseldorf und Essen. Und im internationalen Standortwettbewerb muss es sowieso darum gehen, die Bedingungen an Rhein und Ruhr gemeinsam zu verbessern.

Es gab heiße Diskussionen, ob die Stadt Duisburg und der Kreis Wesel sowohl in der Metropolregion Rheinland als auch in der Metropole Ruhr Mitglied sein dürfen. Was halten Sie davon?

Wiechmann: Ich finde ideal, dass es diese Schnittstelle gibt. Wenn sich das Rheinland und das Ruhrgebiet als zwei Flügel verstehen, die gemeinsam viel stärker auch international agieren können, dann bringt das beide Regionen voran. Natürlich bleibt auch eine Konkurrenzsituation, aber das Gemeinsame darf darüber nicht vergessen werden.

Der Rhein-Sieg-Kreis hat zum Beispiel Vorbehalte gegen eine Doppelmitgliedschaft deutlich gemacht, weil man befürchtete beide Städte würden doppelt gefördert werden können.

Wiechmann: Die Angst ist unbegründet, weil es in den Programmen nicht zu einer Doppelförderung kommen kann. Duisburg als Hafenstadt ist selbstverständlich eine Stadt im Rheinland, aber mit ihren Stahlwerken genauso eine Stadt im Ruhrgebiet. Deshalb ist es doch selbstverständlich, dass sich das niederschlägt mit der Mitgliedschaft in beiden Metropolregionen.

Warum hat das mit der Metropolregion Rheinland so lange gedauert?

Wiechmann: Regionalentwicklung braucht Vertrauen, so etwas wächst nicht über Nacht. Vielleicht war es ganz gut, dass man ein paar Jahre diskutiert hat, ohne die Region zu gründen. Wir haben hier im Bonner Raum gesehen, dass inzwischen sehr vieles möglich ist, was vor 20 Jahren noch nicht möglich war. Gut ist, dass die Kammern von Anfang an dabei waren, die Regierungspräsidentinnen sind jetzt eingestiegen, und positiv hat sich ausgewirkt, dass wir in Köln und Düsseldorf Oberbürgermeister haben, die die Animositäten zurückstellen.

Was sollte die Metropolregion konkret anstoßen?

Wiechmann: Es ist gut, über die Kammern die Wirtschaftsförderung voranzutreiben, auch den Verkehr in den Blick zu nehmen. Was mir ein bisschen fehlt, ist, die Menschen stärker mitzunehmen. Andere Metropolregionen beziehen auch die Arbeitnehmerseite mit ein oder Verbände, die an Freiräume, Naherholung und Familienfreundlichkeit denken. Freizeit regional abzustimmen, ist wichtig. Es braucht ja nicht jeder Tourismus-Infrastruktur vorzuhalten.

In NRW gibt es das Land, die Bezirksregierungen, die Landschaftsverbände, verschiedene Zweckverbände, den Regionalverband Ruhrgebiet, die Kreise, die Städte und die Gemeinden. Wenn jetzt noch die Metropolregion hinzukommt, ist das nicht zuviel des Guten?

Wiechmann: Man muss die Verwaltungsstrukturen sicher schlagkräftiger organisieren. Die Kommunen und das Land würde ich nicht antasten. Die mittleren Ebenen besser zu organisieren, ist zwar ein sehr dickes Brett, das man bohren muss. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass es sinnvoll ist, in einer Metropolregion Rheinland die Aufgaben des Landschaftsverbandes, Teile der Aufgaben von Bezirksregierung, Land, mancher Zweckverbände und der Kreise zu bündeln. Das ist aber noch ein weiter Blick in die Zukunft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Von GA-Redakteur
Philipp Königs
zur Klimaplan-Bilanz
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-BilanzErfolg bemisst sich an Taten
Aus dem Ressort