Buchvorstellung Ex-Bundespräsident Gauck zu Gast im Haus der Geschichte

Bonn · Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck stellt im Bonner Haus der Geschichte sein neues Buch „Toleranz: einfach schwer“ vor. Dabei fordert er mehr gegenseitiges Verständnis im politischen Meinungsspektrum.

 Joachim Gauck stellt sein Buch "Toleranz: einfach schwer" vor.

Joachim Gauck stellt sein Buch "Toleranz: einfach schwer" vor.

Foto: Benjamin Westhoff

Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Hintergründe und Lebensentwürfe der Menschen immer vielfältiger werden, zum Beispiel in kultureller Hinsicht. Viele empfinden diesen Umstand als Bereicherung, einige jedoch auch als Last. Was muss die Gesellschaft, was muss der Einzelne von Seiten seiner Mitbürger tolerieren? Und wo liegen die Grenzen der Toleranz?

Auf diese Fragen versucht der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck in seinem neuen Buch „Toleranz: einfach schwer“ eine Antwort zu finden. Am Donnerstagabend diskutierte er im Bonner Haus der Geschichte mit Stiftungspräsident Hans Walter Hütter vor rund 250 geladenen Gästen und hielt dabei ein Plädoyer für eine „kämpferische Toleranz“.

Zunächst klingt kämpferische Toleranz nach einem Widerspruch, im Allgemeinen denkt man beim Begriff der Toleranz daran, etwas anderes auszuhalten und zu akzeptieren, dass es existiert. Der Begriff des Kampfes hingegen suggeriert, einen Zustand nicht mehr auszuhalten, sondern gegen ihn vorgehen zu wollen. Doch Gauck gelingt es in der Diskussion, beide Begriffe zu verbinden: „Der Mensch kann nicht alle politischen Meinungen, welche er selbst nicht teilt, anerkennen, jedoch muss er mit diesen leben, und das ist manchmal eine Zumutung.“ Toleranz sei somit schwer zu erlernen.

Sich mit solchen Meinungen auseinanderzusetzen und zu versuchen, den anderen mit Argumenten auf seine Seite zu ziehen, das ist in Gaucks Verständnis „kämpferische Toleranz“. Der ehemalige Bundespräsident betonte immer wieder, dass diese Toleranz ein breites Meinungsspektrum abdecken müsse: „Man darf nicht nur tolerant in eine Richtung sein.“ Er forderte deswegen eine erweiterte Toleranz nach links, nach rechts und in Richtung des Islam.

Jede Gesellschaft braucht ein konservatives Lager

Gerade in Richtung des rechten politischen Spektrums sieht der ehemalige Bundespräsident noch Handlungsbedarf, denn der Begriff „rechts“ sei immer noch negativ behaftet. „Das ist zwar historisch erklärbar, aber politischer Unfug.“ Jede Gesellschaft brauche neben einem linken, progressiven und einem liberalen Lager auch ein rechtes, konservatives. Gauck beruft hierfür sich auf wissenschaftliche Studien, die belegen, dass es einen relativ großen Anteil an Menschen in europäischen Gesellschaften gebe, der Furcht habe vor zu viel Veränderung und sich nach Sicherheit und Ordnung sehne. Auch solche Menschen müssten sich repräsentiert fühlen. „Deswegen muss man Diversität aushalten können“, so Gauck.

Für diese Thesen schlug dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler in der Vergangenheit viel Gegenwind entgegen. Nach einem Interview im „Spiegel“ wurde ihm unter anderem Sympathie zur rechtspopulistischen AfD vorgeworfen. Diesem Vorwurf widerspricht Gauck im Verlauf des Abends klar, betont jedoch ebenso, dass man auch Meinungen tolerieren müsse, die man selbst komplett ablehne: „Man darf nicht alle AfD-Wähler als Faschisten aussortieren“, mahnt das ehemalige Staatsoberhaupt.

Für Gauck endet die Toleranz an einer klaren Grenze: „Bei Verfassungsfeinden, bei Leuten, die Menschen in Klassen einteilen und versuchen, diesen ihre Würde zu nehmen.“ Toleranz dürfe einen darüber hinaus auch nicht daran hindern, bestimmte gesellschaftliche Probleme aus Rücksicht auf eine bestimmte Gruppe anzusprechen. „Wenn eine Problemlage existiert, muss sie besprochen werden, wenn dies die politische Mitte nicht leistet, übernehmen diese Aufgabe die Ränder.“

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