Stütze für Lehrer an Bonner Schulen Ex-Schüler helfen Schülern

Bonn · Ehemalige des Tannenbusch-Gymnasiums und der Bertolt-Brecht-Gesamtschule bilden Mentoren aus. Nur hat sich der neu Verein „Cassiopeia“ gegründet.

 Ella Behn (rechts oben) wohnte der „Cassiopeia“-Vereinsgründung online bei.

Ella Behn (rechts oben) wohnte der „Cassiopeia“-Vereinsgründung online bei.

Foto: Privat

Die Sechstklässlerin Leyla und die Oberstufenschülerin Paula treffen sich regelmäßig nach dem Unterricht im Tannenbusch-Gymnasium. Seit dem November-Lockdown halten sie online Kontakt. Denn die Ältere hilft als Lerncoach der Jüngeren, sich im schulischen Alltag zurechtzufinden und ihre Leistungen zu verbessern.

An diesem Beispiel schildert Ella Behn, eine 21-jährige Studentin der Erziehungswissenschaften, das Konzept ihres Vereins „Cassiopeia“. Sie hat dieselbe Schule besucht und sich dort zum Lerncoach fortbilden lassen. Inzwischen macht Behn mit anderen Ehemaligen heutige Oberstufenschüler wie Paula fit für das Ehrenamt.

Mit Erfolg: Die quirlige Leyla hat schnell Vertrauen gefasst. Mit Freude nutzt sie die gemeinsam gebastelte Box für Englischvokabeln und hat mithilfe einer von Paula ausgetüftelten Methode aus Liegestützen und Lernen ihr Konzentrationsvermögen gestärkt. Auch das klappt inzwischen per Online-Kontakt. Leylas Noten seien spürbar besser geworden, berichtet Mentorin Behn.

Die 21-Jährige hat kürzlich mit sieben weiteren Studenten den Verein „Cassiopeia“ gegründet. Der Name kommt von der klugen Schildkröte, die der Hauptfigur im Roman „Momo“ von Michael Ende den Weg weist. Behns Mitstreiter Filipe Castro, Shaya Werner, Ramina Schiffer, Alina Freiboth, Jan Timmermann, Armin Schiffer und Leonie Regen sind ebenfalls größtenteils Absolventen des Tannenbusch-Gymnasiums und der Bertolt-Brecht-Gesamtschule.

Seit zwei Jahren bilden sie dort Lerncoachs wie Paula aus. „Die Mentoren sollen Kindern in der fünften bis siebten Klasse helfen, die Gratwanderung zwischen familiären, schulischen und vor allem kulturellen Verpflichtungen zu meistern“, verdeutlicht Behn. Das Know-how haben die Studenten von Seminaren und Supervisionen der Pädagogin Ruth Eidenberg.

Durch die Pandemie habe man die Arbeit derzeit natürlich auf ein Online-Format zuschneiden müssen, so Behn. Und auch die Gründung des Vereins musste am Bildschirm stattfinden.

Das Projekt Lerncoaching laufe am Tannenbusch-Gymnasium seit 2009, koordiniert von Wolf Dietrich Gruhn, berichtet Schulleiter Eike Schultz. Bis 2018 sei es von der Tenhoff-Stiftung unterstützt worden. Dann hätten die ehemaligen Schüler die Fortbildung der Mentoren übernommen und jetzt den Verein gegründet, um den finanziellen Rahmen zu sichern. Es freue ihn natürlich, dass gerade sie ihre Verbundenheit zur Schule beweisen, sagt Schultz. Das Lerncoaching unterscheide sich von Nachhilfeunterricht oder Hausaufgabenbetreuung dadurch, dass die Vermittlung von Lerntechniken im Vordergrund steht. „Die Lerncoaches stärken die Fähigkeit der jüngeren Schüler, ihr Lernen zunehmend selbstständig zu gestalten.“

Zur Zielgruppe zählen Schüler mit Schwierigkeiten, sagt Schultz. „Auch ihre Eltern reagieren auf das Angebot durchgehend positiv.“ Von Vorteil sei hier sicher, dass die Betreuung auf Augenhöhe stattfinde. „Die Kleinen nehmen gerne an, dass die Großen sich um sie kümmern.“

Da laufe eine Alltagsberatung, die Lehrer in ihrer Rolle gar nicht leisten könnten. „Die Mentoren bekommen im vertrauten Gespräch auch eher mit, wenn es bei den jüngeren Schülern zu Hause hapert.“ Aber auch die Lerncoaches profitierten, indem sie für ihre Ausbildung und den Beruf soziale, pädagogische und rhetorische Kompetenzen entfalteten. Auch die Rückmeldungen der Kollegen zeigten, dass das Angebot äußerst erfolgreich laufe, und das derzeit auch über Online-Kanäle, resümiert Schultz.

Das sieht seine Rektorenkollegin an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule genauso. „Die Lerncoaches sind eine ganz besonders wertvolle Institution“, betont Margarete Ruhnke. Die ehemaligen Schüler im Verein „Cassiopeia“ wüssten, worauf es im Umgang mit jüngeren Schülern ankomme: „Die Kleinen haben tolle Vorbilder und Ansprechpartner. Die Großen lernen, Verantwortung zu tragen.“

Die Coaches seien auch den Lehrern eine Stütze, zum Beispiel im Umgang mit den neuen Medien, so Ruhnke. Sie erhielten ein Zertifikat über die geleistete Arbeit, das ihnen bei Bewerbungen helfe. Das Projekt, das an der Gesamtschule von Sarah Kande koordiniert werde, sei 2019 durch den schulischen Förderverein unterstützt worden.

Beim Lerncoaching-Tandem am Tannenbusch-Gymnasium hat Mentorin Paula die jüngere Leyla inzwischen ermutigt, im Unterricht und nach der Schule selbstbewusst ihre Meinung zu äußern. Neulich wünschte sich Leyla, einmal selbst Lerncoach zu werden. „Und Paula kann nun besser mit Menschen umgehen“, erklärt Behn. Der Verein hofft nun auf Spenden und will sich nicht allein auf dieses erste Projekt beschränken. „Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sollen aber die Schwerpunkte bleiben.“

Kontakt zum Verein: kontakt@cassiopeia-ev.de

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