Interview mit Rolf Müller Fachmann fordert zügigeren Wohnungsbau

Als Leiter der Gruppe Wohnungs- und Immobilienwesen am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn beschäftigt sich Rolf Müller mit der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Mit ihm sprach Gabriele Immenkeppel.

Rolf Müller arbeitet beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Rolf Müller arbeitet beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

Foto: Barbara Frommann

Schon jetzt fehlen jährlich mindestens 400.000 Wohnungen in Deutschland. Hat die Bundeskanzlerin Recht? Schaffen wir das?
Rolf Müller: Die Wohnungsversorgung ist nur ein Element einer erfolgreichen Integrationspolitik – aber zweifellos ein sehr wichtiges. Wer dauerhaft als Bleibeberechtigter im Provisorium leben muss, wird sich nur schwer integrieren können. Aber gerade in wachsenden Städten und Gemeinden wie beispielsweise Bonn fehlen preisgünstige Wohnungen nicht nur für anerkannte Flüchtlinge, sondern generell für Haushalte mit niedrigerem Einkommen. Deshalb muss das Ziel sein, das Angebot insgesamt möglichst zügig auszuweiten.

Was muss dafür getan werden?
Müller: Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, wird es gelingen, die bestehenden Defizite mittelfristig zu überwinden. Aber das braucht eine gewisse Zeit. Im vergangenen Jahr ist die Bautätigkeit deutschlandweit mit etwa 265.000 neuen Wohnungen erneut gestiegen. Eine weitere Zunahme der Neubauzahlen um 40 bis 50 Prozent lässt sich kurzfristig nicht so einfach realisieren.

Auch wenn Sie die Situation eher bundesweit betrachten, wie bewerten Sie die Bonner Lösungen?
Müller: Auch Bonn ist gezwungen, zunächst einmal Unterkunftsmöglichkeiten für die große Zahl an zugewiesenen Flüchtlingen zu schaffen. Natürlich wäre es wünschenswert, regulären Wohnraum oder geeignete feste Liegenschaften anbieten zu können. Aber wenn die Möglichkeiten ausgeschöpft sind, dann bleibt wegen des Zeitdrucks leider oftmals nur die Umnutzung von Gewerbeobjekten oder die Belegung von Turnhallen. Es ist gut, dass Zeltunterkünfte bisher vermieden werden konnten.

Als Bonner erleben Sie hautnah, wie Kommunen agieren und reagieren. Was würden Sie der Stadt raten?
Müller: Ich habe schon den Eindruck, dass die Stadtverwaltung sich sehr engagiert. Es mangelt nicht an gutem Willen und Kooperationsbereitschaft. Aber begrenzte Kapazitäten sind hier limitierende Faktoren. Deshalb ist es zu begrüßen, dass spürbare Personalaufstockungen die Leistungsfähigkeit der Verwaltung erhöhen sollen.

Gerade erst hat der Stadtrat die Errichtung von Holzhäusern abgelehnt.
Müller: Aus fachlicher Sicht sind Modulbauten den eher provisorisch wirkenden Containerlösungen sicherlich vorzuziehen. Das gilt insbesondere dann, wenn sie nach der Verwendung als temporäre Flüchtlingsunterkunft durch Modifikation und Anpassung Optionen zum regulären Wohnen oder für Zwecke der sozialen Infrastruktur beinhalten. Je nach Ausführung müssen Holzbauten auch nicht unbedingt teurer sein. Allerdings legen sie schon rein optisch den Eindruck von Dauerhaftigkeit nahe, auch wenn eine Demontage in der Regel unproblematisch möglich ist.

Sie gehen davon aus, dass junge, gut ausgebildete Flüchtlinge dorthin gehen, wo es attraktive Arbeitsangebote gibt. Als UN- und Wissenschaftsstandort ist Bonn eine gute Adresse. Werden hier künftig mehr Singlewohnungen benötigt, oder rechnen sie durch den Familiennachzug mit steigender Nachfrage nach größeren Wohneinheiten?
Müller: Die Bleibeberechtigten werden die demografische Entwicklung der Schrumpfung, Alterung und Singularisierung abmildern und verzögern, aber nicht grundsätzlich umkehren. Der demografische Wandel bringt eine Zunahme der kleineren Haushalte mit sich. Von daher ist tendenziell eher von einem Mangel an kleineren Zwei- bis Dreizimmerwohnungen auszugehen.

Bei aller Planung darf man die Stadtentwicklung auch in Notsituationen nicht aus den Augen verlieren. Schließen sich kostengünstiger Wohnungsbau und ansprechende Architektur aus?
Müller: Keineswegs. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie beides zugleich erreicht werden kann. Hohe Qualität – auch hohe architektonische Qualität – und tragbare Kosten im Wohnungsneubau sind keine naturgegebenen Gegensätze. Wesentliche Schlüssel liegen in einer integralen Planung, einer effektiven Prozessteuerung und nicht zuletzt in einem ausreichenden Baulandangebot.

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