Prozess am Landgericht Bonn Falscher Pfleger soll Krankenkassen betrogen haben

Bonn · Ein 45-jähriger Mann aus dem Rhein-Sieg-Kreis steht seit Mittwoch vor dem Bonner Landgericht, weil er diverse Krankenkassen um rund 1,8 Millionen Euro betrogen haben soll. Verdacht besteht zudem auf weitere Betrugsfälle in anderen Bundesländern.

 Vor dem Bonner Landgericht musste der falsche Pfleger sich jetzt verantworten: Der Anklagte (rechts) mit seinen Verteidigern.

Vor dem Bonner Landgericht musste der falsche Pfleger sich jetzt verantworten: Der Anklagte (rechts) mit seinen Verteidigern.

Foto: Leif Kubik

Womöglich ist der Bonner Prozess nur der erste Akt: Vor dem hiesigen Landgericht hat am Mittwoch das Verfahren gegen einen 45-jährigen Mann aus dem Rhein-Sieg-Kreis begonnen, der als Geschäftsführer mehrerer Krankenpflegedienste Krankenkassen und Beschäftigte allein in der Bonner Region um rund 1,8 Millionen Euro betrogen haben soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Insolvenzverschleppung,  gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung vor. Aber auch die Lübecker Staatsanwaltschaft ermittelt wegen weiterer ähnlich gelagerter Vorwürfe im Norden der Republik gegen den in Moskau geborenen Deutschen.

Insgesamt mehr als 40 Taten werden dem Mann in den fünf Anklageschriften vorgeworfen: Zum einen soll er Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von 68.202 Euro nicht abgeführt haben. Der überwiegende Teil der 1,8 Millionen soll hingegen durch falsche Abrechnungen mit den Krankenkassen auf sein Konto geflossen sein.

Am 18. April 2013 hatte der Angeklagte einen ambulanten Pflegedienst in Hennef angemeldet; 2015 wandelte er  das Einzelunternehmen in eine GmbH um und wählte das benachbarte Windeck als Firmensitz. Mit Aufnahme in den Rahmenvertrag zur häuslichen Krankenpflege konnte er dann Pflegeleistungen über die Krankenkassen abrechnen. Für die Beantragung muss man allerdings zertifizierter Krankenpfleger sein. Weil er dies aber nicht gewesen sei, habe er kurzerhand eine in Eitorf beglaubigte Kopie einer gefälschten Urkunde der Hamburger Gesundheitsbehörde eingereicht, wirft ihm die Anklage vor.  Der zufolge soll der Mann seit 1996 Krankenpfleger sein. Bis zu 78 Mitarbeiter sollen zeitweise für das Unternehmen des Angeklagten tätig gewesen sein.

Ob die alle über eine ausreichende Qualifikation verfügt haben, wird die Kammer ebenso zu klären haben, wie die Frage, ob die zu Unrecht abgerechneten Leistungen zumindest angemessen erbracht worden sind.  

Dafür scheint allerdings nicht viel zu sprechen – so wirft die Anklage dem Mann unter anderem vor, in einem konkreten Fall Leistungen abgerechnet zu haben, die tatsächlich von der Mutter eines Patienten erbracht wurden.

Die möglicherweise zu Unrecht kassierten Krankenkassenbeiträge muss der Angeklagte, sollte er denn für schuldig befunden werden, allerdings so oder so zurückzahlen: Bei der Zahlung der Beiträge wird nämlich ein strenger formaler Maßstab angelegt, um Missbrauch zu verhindern: Selbst, wenn der Angeklagte sämtliche Leistungen regelgerecht erbracht hätte, hätte er keinen Anspruch auf die Gelder der Krankenkassen, weil er ja falsche Angaben gemacht hatte, um dem Rahmenvertrag beitreten zu können.

Um das Verfahren nicht ausufern zu lassen, loteten die Beteiligten zunächst die Möglichkeit einer Verständigung aus: Falls er gesteht, müsste der Angeklagte wohl mit einer Haftstrafe zwischen dreieinhalb und fünf Jahren rechnen. Jedenfalls für die aktuell angeklagten Fälle: Nach einer ersten Verhaftung wurde der Mann nämlich vor zwei Jahren wieder auf freien Fuß gesetzt. Seine wiedergewonnene Freiheit soll er allerdings nicht zur Reue, sondern zur Gründung eines weiteren Pflegedienstes in Norddeutschland genutzt haben.

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