Neue Bibliothek in Bonn Forschung zur antiken Sklaverei

Bonn · Bonn hat eine neue Bibliothek. Sie hat die antike Sklaverei auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und der Krim als Thema und ist in ihrer Art einzigartig.

Winfried Schmitz mit interessierten Besuchern bei der Eröffnung der Bibliothek.

Winfried Schmitz mit interessierten Besuchern bei der Eröffnung der Bibliothek.

Foto: Stefan János Wágner

„Sklaverei“ ist das Thema einer neuen Bibliothek an der Heussallee 18, die am Mittwoch eröffnet wurde, Forschungszwecken dient, aber auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. „Einzigartig ist die Bibliothek deswegen, weil sie zahlreiche Publikationen über die antike Sklaverei und den Sklavenhandel auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und der Krim umfasst“, sagt Winfried Schmitz, der seit 20 Jahren Professor für Alte Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn ist.

Die Bibliothek verfügt über große Bestände der russischen und ukrainischen Forschung vor 1989, das heißt, sie spiegelt nicht nur die westlich bürgerliche Forschung, sondern auch die Marxistisch-Leninistische Forschung. Das macht sie zu einer der größten Bibliotheken zur Antiken Sklavereiforschung weltweit.

Nun können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung der Sklaverei und anderen Formen der Abhängigkeit befassen, die Bestände nutzen. Ursprünglich stammt die Bibliothek von der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, wo 60 Jahre lang über die Sklaverei im antiken Mittelmeerraum geforscht wurde. Mehr als vierzig Bände wurden zu zahlreichen Facetten des Themas publiziert. Hinzu tritt ein umfangreiches Fachlexikon zur antiken Sklaverei, an dem Forscher aus der ganzen Welt mitgearbeitet haben. Nun ist diese Bibliothek mit ihren reichen Beständen von Mainz nach Bonn verlagert worden.

Viele auf Russisch und Ukrainisch verfasste Forschungsarbeiten sind anlässlich des Akademie-Projekts ins Deutsche übersetzt worden. Diese noch auf Schreibmaschine erstellten Übersetzungen sind Unikate, wichtige Archivalien, die jetzt in Bonn zugänglich sind.

Für die russische Wissenschaft war die antike Sklaverei lange ein zentrales Forschungsthema. Vor dem Hintergrund der russischen Leibeigenschaft entstanden erste Bücher zu diesem Thema bereits im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurde die russische Sklavereiforschung von der sowjetischen Staatsdoktrin vereinnahmt, was nach 1990 zur Abkehr vom Thema führte.

Der auf staatlichen Druck erfolgte Ansatz hatte sich als Sackgasse erwiesen. Die Sklaverei und der Menschenhandel bleiben aber ein wichtiger Aspekt der Geschichte griechischer Kolonien an der Südküste der heutigen Ukraine und auf der Krim. Auf Grundlage zahlreicher Publikationen und Archivmaterialien können Forschende dies Geschichte der antiken Sklaverei nun fortschreiben. „Es ist zu vermuten, dass der wissenschaftliche Austausch zur russischen Forschung angesichts der momentanen geopolitischen Lage ins Stocken kommt“, sagte Schmitz. „Das ist sehr bedauerlich.“

Neues Schlüsselkonzept

„Asymmetrische Abhängigkeit“ – mit diesem neuen Schlüsselkonzept eröffnet der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS) einen neuen Zugang zur Sklaverei- und Abhängigkeitsforschung. Untersucht werden alle Formen tiefer sozialer Abhängigkeiten wie Sklaverei, Leibeigenschaft, Schuldknechtschaft sowie weitere Formen permanenter Abhängigkeiten. Dabei werden alle Epochen, Regionen und Kulturen einbezogen. Mit dieser inhaltlichen, räumlichen und zeitlichen Erweiterung der Perspektive öffnet sich die Abhängigkeitsforschung für transkulturelle Vergleiche. Zur Eröffnung erschienen rund 50 Interessierte.

Die Bibliothek an der Heussallee 18 steht auch der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung, und zwar dienstags und mittwochs jeweils von 9 bis 15 Uhr. Um Voranmeldung per E-Mail wird gebeten: las@dependency.uni-bonn.de.

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