Stadtentwicklung in Bonn Fraktionen setzen drei Meilensteine

BONN · Es hat Jahre gedauert, aber am Donnerstag war es soweit: Der Stadtrat hat am späten Abend wichtige Stadtentwicklungsprojekte auf den Weg gebracht.

Sowohl für das das Viktoriakarree als auch die Bebauung des Nordfelds am Hauptbahnhof stehen nun die Investoren fest. Über den Verkauf städtischer Flächen für die Projekte wurde zwar im nicht öffentlichen Teil der Sitzung abgestimmt. Vorher machten die Fraktionen aber in öffentlichen Stellungnahmen ihre Entscheidung deutlich. Zuvor hatte der Rat auch die Sanierung der Viktoriabrücke abgesegnet.

Klare Mehrheit beim Nordfeld, auf dem die developer Projektentwicklung GmbH aus Düsseldorf ein Gebäudeensemble mit Einzelhandel, Büros, Wohnungen und Gastronomie plant (Details zu Projekten siehe unten). CDU, SPD, und FDP stimmten zu. Die AfD lehnte den Entwurf "Urban Soul" aus städtebaulichen Gründen ab. "Wir sind auch dagegen, Stadteigentum zu verkaufen", betonte der Fraktionsvorsitzende Hans Friedrich Rosendahl.

Bestenfalls könne man über Erbbaurechtsverträge reden. Auch Bernhard Wimmer vom Bürger Bund Bonn (BBB) fand die vorliegenden Entwürfe untauglich und kritisierte zudem, dass die Stadt mit dem Verkauf der Parkplatzflächen jährliche Einnahmen von rund 700.000 Euro verliere. Beim Viktoriakarree dagegen sagte der BBB gemeinsam mit CDU, SPD und FDP deutlich Ja.

Die Linksfraktion lehnte sowohl die Nordfeld-Bauten als auch die Pläne für das Karree ab. Dort erhält wie erwartet die österreichische Signa-Holding des Karstadt-Eigentümers René Benko den Zuschlag, die ein Einkaufszentrum errichten will. "Sie haben bekommen, was Sie in den Ausschreibungen bestellt haben", spottete Holger Schmidt. "Projektentwicklerarchitektur, wie sie in jeder deutschen Mittelstadt steht."

Das sieht die CDU ganz anders. Die Christdemokraten betonten schon im Vorfeld, dass mit den Beschlüssen wichtige Impulse für die Innenstadtentwicklung gesetzt würden. "Bei beiden Projekten hat die jeweilige Auswahljury entschieden", unterstrich Bert Moll. "Wir müssen jetzt handeln, auch um die Universität nicht vor den Kopf zu stoßen." Die hatte vorige Woche mit Ausstieg aus dem Viktoriakarree-Projekt gedroht, falls der Rat keinen Beschluss fasse.

Werner Hümmrich (FDP) hält beide Bauvorhaben für eine Chance, das Umfeld aufzuwerten. Der "Mehltau" über der Stadt, den Kritiker in den vergangenen Jahren sowohl Rat als auch Verwaltung vorgeworfen haben - der hebe sich nun, meinte der FDP-Politiker. "Wir bringen jetzt zwei Großprojekte voran, die seit Jahren vertagt worden sind", betonte auch Ernesto Harder (SPD).

Bedingung sei beim Viktoriakarree, dass Signa im vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahren die Pläne korrigiere. Die Fraktionen wollen keine in sich geschlossene Mall, außerdem soll der Neubau niedriger werden. Bislang ist er zwei Etagen höher als das Uni-Hauptgebäude geplant. Diskutiert wird noch, ob die Tiefgaragenrampen in der Stocken-straße und am Bischofsplatz geschlossen und durch eine neue Zufahrt auf der Hofgartenseite ersetzt werden sollen. Kosten nach GA-Informationen: rund elf Millionen Euro. Falls Signa das finanzieren muss, sinkt der Kaufpreis, den die Stadt erzielt.

Die Grünen fürchten, dass die Kommune beim Viktoriakarree am Ende sogar draufzahlen könnte. Sie lehnen den Signa-Entwurf ab, weil er zu viel Einzelhandel und zu wenig Wohnungen vorsehe. "Keiner der beiden Bewerber erfüllt die Vorgaben der Ausschreibung", kritisierte Hartwig Lohmeyer. Mit dem Antrag, das Karree neu auszuschreiben, scheiterten die Grünen in namentlicher Abstimmung mit 19 zu 61 Stimmen. Auch beim Nordfeld kamen einige Gegenstimmen aus der Grünen-Fraktion.

Die Viktoriabrücke

Die Sanierung soll ab 2016 erfolgen. Unter den Entwürfen, die schon in einer Bürgerversammlung vorgestellt wurden, hat sich der Rat für den von Kolb Rinke Architekten entschieden. Als erstes wird in Längsstreifen die Stahlkonstruktion erneuert, so dass während der Bauzeit keine Sperrung nötig ist. Ab 2017 soll eine Rampe auf die Thomastraße samt Kreisverkehr am Alten Friedhof gebaut werden.

Das Projekt kostet 24,6 Millionen Euro, Brücke und Rampe davon etwa 19,6 Millionen Euro, die mit 60 Prozent bezuschusst werden. Wer aus der Weststadt über die Brücke kommt, kann über die Rampe Richtung Alter Friedhof fahren. Umgekehrt gelangt der Verkehr aus der City leichter auf die Viktoriabrücke. Ziel der Planung ist es vor allem, die Bornheimer Straße auf dem Abschnitt bis zum Stadthaus zu entlasten. bot

Das Nordfeld

Einen "Dreiklang für Bonn" nennen es "die developer": Auf dem Areal zwischen Bonner Loch und Thomas-Mann-Straße sollen drei Gebäude entstehen, die miteinander harmonieren und einen Nutzungsmix aus Büros, Wohnungen, Shops, Hotel- und Gas-tronomie bieten sollen. Die drei Bauteile bestehen aus dem Lifestyle House im Flagship-Store-Konzept, das von allen Seiten zugänglich ist. Im zweiten Gebäudeteil zur Thomas-Mann-Straße hin entsteht ein Premiumhotel, ein Restaurant mit Dachterrasse und einer Piazza zur Maximilianstraße hin. Kritiker sehen hier das Entstehen einer neuen "Bonner Loch-Szene", weil es genau in der Laufachse zum Obdachlosenheim liegt.

Das Bürogebäude "CityOffice" auf der anderen Seite der Rabinstraße wird eine Kombination aus Büroräumen im Kopfgebäude und Parkhaus. Der Kopfbereich nimmt die Struktur des Hotels auf und führt sie fort. Urban Soul erhielt jedenfalls alle Stimmen des Städtebaubeirates, und auch der Verein City Marketing Bonn sprach sich für diesen Entwurf aus. Kritisiert wurde sowohl vom Städtebaubeirat als auch von Bürgern die kühle, metallisch wirkende Außenfassade. ca

Das Viktoriakarree

"Flanieren. Genießen. Shoppen. Ein städtebaulicher Akzent belebt die Bonner Innenstadt." So stellt es sich jedenfalls die Signa development mit ihrem Projekt vor, und so wirbt sie dafür im Internet. Die Schlüsselimmobilie, das ehemalige Dahm-Haus auf der Ecke Stockenstraße/Rathausgasse gehört ihr schon. Hier soll auch der Zugang in das galerieartige Einkaufszentrum erfolgen.

Weitere Immobilien hat sie nach eigenem Bekunden bereits erworben. Jetzt fehlten ihr nur noch die städtischen Immobilien. Der Schwerpunkt liegt auf der Schaffung von Geschäftsflächen: Signa-Geschäftsführer Reimund Sigel kündigte jüngst bei der Bürgerinformation an, etwa 15.000 Quadratmeter zu schaffen. Vorgesehen seien ein Elektromarkt, zwei, drei große Textilgeschäfte und mehrere kleinere "internationale Marken". Hinzu kommen 6500 Quadratmeter für Philologische Bibliothek der Universität.

Kritikpunkte: Nach den konzeptionellen Vorstellungen der Signa würde der neue Gebäudekomplex das Universitätshauptgebäude minimal überragen. Außerdem sehen die Entwurfspläne vor, das der Lkw-Zulieferverkehr direkt vor dem Koblenzer Tor erfolgen würde. Außerdem werden wohl weitere Wohnungen dem Einzelhandel zum Opfer fallen. Kritiker sehen darin einen Widerspruch des Konzepts, die Innenstadt auch abends weiter zu beleben. Außerdem sehen die Pläne ein geschlossenes Mall-Konzept vor, das heißt, dass die Kunden das Zentrum nur über einen Hauptzugang betreten können.

Die developer

Die developer Projektentwicklung GmbH wurde im April 2008 von Geschäftsführer Stefan H. Mühling und Kurt Zech als Hauptgesellschafter der Zech Group GmbH Bremen gegründet. Zu ihren bisher umgesetzten Projekten gehören etwa der Kö-Bogen von Daniel Libeskind und der Vodafone Campus in Düsseldorf. Sein Gesamtinvestitionsvolumen gab das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf 2013 mit einer Milliarde Euro an.

René Benkos Signa

Die österreichische Signa Holding, die 1999 von René Benko gegründet wurde, rief 2010 mit der Signa Development Deutschland eine neue Tochtergesellschaft ins Leben. Als Geschäftsführer des in München ansässigen Unternehmens fungierten zunächst Kord Schmülling und Reimund Sigel, 2012 kam Ralf Niggemann hinzu. Die Unternehmensgruppe umfasst laut Wirtschaftsblatt ein Immobilienvermögen von mehr als 6,5 Milliarden Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort