Vorwurf lautet fahrlässige Körperverletzung Frau stürzt in Bahn gegen Glasscheibe - und erhält Anzeige

BONN · Die Stürze in Bussen und Bahnen bei deren Anfahren haben offenbar für die Gestürzten nicht nur schmerzhafte Verletzungen und vergebliche Schadenersatzforderungen zur Folge, sondern können durchaus auch eine Strafanzeige nach sich ziehen.

Das musste eine 81-Jährige eine Weile nach ihrem Sturz feststellen, als sie im fernen Frankreich einen Brief der Bonner Polizei aus dem Briefkasten holte.

Was war geschehen? Wie Horst Schneider van Dorp, der Bonner Rechtsanwalt der im Süden Frankreichs lebenden Seniorin, bestätigte, stieg die 81-Jährige am Morgen des 8. Januar gegen 10.20 Uhr auf der Hausdorffstraße in die Straßenbahn Richtung Hauptbahnhof, um den Zug zu nehmen. Die Witwe war in Begleitung ihrer Schwester und ihres Schwagers, die sie über die Festtage besucht hatte. Mit mehreren Gepäckstücken beladen ging sie zum Fahrkartenautomaten, um ihren Fahrschein zu entwerten. Und da passierte es.

Die Bahn fuhr - ihrer späteren Aussage und der ihrer Schwester zufolge - mit einem "sehr, sehr heftigen Ruck" an. Die 81-Jährige kam ins Straucheln, versuchte sich noch an einer Stange festzuhalten und stürzte in die Glastrennscheibe neben dem Automaten. Die Scheibe zersplitterte, ein dahinter sitzender 36-jähriger Fahrgast wurde von Splittern getroffen. Er sprang auf, half der gestürzten Frau wieder auf die Beine und entdeckte anschließend, dass er an zwei Fingern blutete. Wie er später als Zeuge erklärte, half ihm ein anderer Fahrgast mit Heftpflaster aus. Damit war für ihn der Fall eigentlich erledigt - und auch für die 81-Jährige, die mit einem gehörigen Schrecken davonkam und nach Frankreich zurückfuhr.

Nicht so jedoch für die vom Fahrer alarmierte Polizei - und erst recht nicht für die Staatsanwaltschaft, wie Anwalt Schneider von Dorp berichtete. Die Polizei schrieb besagte Strafanzeige und leitete sie an die Anklagebehörde weiter. "Eine ganz normale Vorgehensweise wie bei einem ganz normalen Verkehrsunfall, wenn dabei jemand verletzt wird", erklärte Polizeisprecher Frank Piontek, der den Fall bestätigte.

Allerdings sei man davon ausgegangen, dass die Ermittlungen gegen die gestürzte Frau bei der Staatsanwaltschaft angesichts der Gesamtumstände sofort eingestellt würden. Doch dazu war, wie der Anwalt gestern mitteilte, die zuständige Dezernentin nicht bereit. Sie ermittelte in dem Fall, bis sie nun vom verletzten Fahrgast und Helfer selbst gestoppt wurde. Denn der, so Anwalt Schneider van Dorp, hatte nicht das geringste Interesse an einer Strafverfolgung der Seniorin und erklärte sich nicht bereit, Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung zu stellen. Und da diese Straftat ein Antragsdelikt ist, gab es für die Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft nur noch eines zu tun: Sie stellte das Verfahren ein. Und diese gute Nachricht konnte der Anwalt seiner Mandantin in Frankreich gestern mitteilen.

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