GA-Interview „Frauen erfahren immer noch viel zu wenig Wertschätzung“

Bonn · Die Kölner Gender-Expertin Professor Angelika Schmidt-Koddenburg fordert mehr Ehrenbürgerschaften für Frauen. Mit der Professorin, die an der Katholischen Hochschule in Köln lehrt, sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Angelika Schmidt-Koddenberg.

Angelika Schmidt-Koddenberg.

Foto: Privat

Ärgert es Sie, dass es so wenige Ehrenbürgerinnen in deutschen Städten gibt?

Angelika Schmidt-Koddenberg: Ich finde das ausgesprochen schade und halte das auch für einen Fehler, der dringend korrigiert werden sollte. Denn seitdem Ehrenbürgerschaften im 19. Jahrhundert ausgesprochen wurden, hat es immer auch Frauen gegeben, die Großartiges für das Gemeinwohl geleistet haben.

Was sind die Hauptgründe für den Mangel?

Schmidt-Koddenberg: Zum einen engagieren sich Frauen tatsächlich gerne in sozialen und kulturellen Bereichen, die im öffentlichen Aufmerksamkeitsranking eben nicht die ersten Plätze belegen – wider des besseren Wissens, dass unser Gemeinwohl ohne diese Bereiche genauso wenig existieren kann wie beispielsweise ohne funktionierende Wirtschaft und Politik. Zum anderen erfahren öffentliche Leistungen von Frauen meines Erachtens immer noch generell viel zu wenig Wertschätzung. Wenn ein Mann dasselbe tut, scheint es irgendwie „wertvoller“.

Haben Sie ein Beispiel?

Schmidt-Koddenberg: Ja, Peter und Irene Ludwig haben gemeinsam viele Kommunen mit ihren Kunststiftungen kulturell bereichert. Peter Ludwig hat dafür 1975 die Ehrenbürgerschaft in Köln erhalten, Irene Ludwig zwanzig Jahre später – aber immerhin, und sie ist bis heute die einzige Ehrenbürgerin Kölns.

Trauen sich Frauen auch 2016 noch zu wenig zu?

Schmidt-Koddenberg: Der öffentlich akzeptierte Aktionsradius für Frauen hat sich deutlich erweitert. Insofern gibt es heute in Positionen, wo tatsächlich etwas bewegt werden kann, viel mehr Frauen. Doch klar: Auch heute gibt es noch viele Frauen, die sich die Übernahme von vermeintlich „großen Aufgaben“ nicht zutrauen. Ein wichtiger Schlüssel scheint mir darin zu liegen, dass Frauen stärker abwägen, ob sie die Übernahme von öffentlicher Gestaltungsmöglichkeit, Macht und Verantwortung tatsächlich auch wollen. Ihr Blick auf den Alltag und das Leben ist tendenziell weiter, ganzheitlicher – und so entdecken sie immer auch attraktive Alternativen.

Ist nicht das Auswahlkriterium, dass eine Person besonders viel für eine Stadt getan haben muss, durchaus vieldeutig?

Schmidt-Koddenberg: Ja, das stimmt. Es ist eine Sache der Auslegung, was konkret wie viel wert ist.

Wie ließe sich dieser Mangel an Ehrenbürgerinnen denn konkret beheben?

Schmidt-Koddenberg: Allein ein Appell an die Stadträte, die bisherige Praxis den gesellschaftlichen Bedingungen und emanzipatorischen Ansprüchen anzupassen, wird wenig erfolgversprechend sein. Ich denke, es braucht eine Art Lobbyismus von beispielsweise engagierten Vereinen oder Initiativen in der Kommune, die sich für die Würdigung weiblicher Persönlichkeiten in ihren Bereichen gezielt starkmachen.

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