Holocaust-Gedenktag Gedenkstätte zieht in das Kloster Mariahilf in Endenich
Lengdorf/Endenich · 479 Bonner Juden waren ab 1941 über ein Jahr lang im Endendicher Kloster Maria Hilf an der Kappellenstraße interniert, bevor sie von den Nazis ermordet wurden. Dorthin soll die NS-Gedenkstätte an der Franziskanerstraße in der Innenstandt umziehen. Doch wann startet das Projekt?
Briefe und Tagebücher von Bonner, Bad Godesberger und Beueler Juden aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Gedenkstätte erzeugen ein bedrückendes Bild von Schicksalen in unmittelbarer Nachbarschaft, von unfassbarem Leid. Dokumente und Informationen versuchen nachzuvollziehen, wie es zum Holocaust kommen konnte, obschon es dazu niemals hätte kommen dürfen. Die Gedenkstätte für Bonner Opfer des Nationalsozialismus ist seit 1995 an der Franziskanerstraße 9 untergebracht.
Vision des Fördervereins, der immerhin über 200 Mitglieder und Institutionen hat, ist ein Ort der Erinnerung, der auch eine historische Verbindung herstellt. Die Räumlichkeiten im ehemaligen Viktoriabad haben diesen Kontext nicht. Ein erster Vorstoß vor rund 40 Jahren, die Gedenkstätte nahe der 1938 zerstörten Synagoge am Rheinufer zu bauen, ließ sich nicht realisieren. Der Vorgängerverein „An der Synagoge“ zog in ein von der Stadt zur Verfügung gestelltes Werkhaus in Bad Godesberg. Dort arbeitete man mit wissenschaftlicher Unterstützung über zehn Jahre auf die Einrichtung einer Gedenkstätte hin, die schließlich an der Franziskanerstraße in der Bonner Innenstadt verwirklicht wurde.
Neue Gedenkstätte kostet etwa vier Millionen Euro
Aber die Suche nach einer historischen Gedenkstätte lief parallel weiter. „Ein langer Prozess“, wie Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte, schildert. Alternative Standorte wurden analysiert, geprüft, verglichen – bis der eine als Favorit feststand: das Kloster Maria Hilf an der Kapellenstraße in Endenich. Dort haben die Nazis 1941/42 Bonner Jüdinnen und Juden interniert.
Der Verein hat Vorgespräche mit dem Erzbistum als Eigentümer geführt, hat die Historie des Klosters in der NS-Zeit dokumentiert, von Johannes Platz eine Projektstudie machen lassen und den Architekten Martin Waldorf mit einer ersten Konzeption für die seit Langem leerstehenden Wirtschaftsgebäude beauftragt.
Auch die Frage nach den Kosten blieb nicht unbeantwortet. Platz kalkulierte sie 2020 mit rund vier Millionen Euro. „Damit war klar, das Projekt ist eine Nummer zu groß“, sagt die Vorstandsvorsitzende Andrea Hillebrand. „Für ein solches Projekt müssen klaren Strukturen geschaffen werden.“ Am ersten Januar 2021 ist die Gedenkstätte in die Trägerschaft der Stadt Bonn übergegangen. „Wir haben alle unsere Studien samt Kontakten übergeben. Die Finanzen sauber abgerechnet, das Eigentum ist an die Stadt übergeben“, so Hillebrand. Mehmel und zwei weitere Mitarbeiter wurden städtische Angestellte.
„Jetzt haben wir die Erwartung, dass es weitergeht“, sagt Hillebrand. Was hat sich im zurückliegenden Jahr getan? „Die Gedenkstätte ist nun ein nicht selbstständiges Institut des Kulturamtes“, erläutert auf Nachfrage eine Mitarbeiterin des Presseamtes. Derzeit sei sie dem Stadtarchiv zugeordnet, aber ab März dem Zentrum für Stadtgeschichte und Erinnerungskulturen. Mitte vergangenen Jahres hat der Rat dem Umzug in den historischen Ort des Internierungslager im Endenicher Kloster zugestimmt und erste Planungsmittel in Höhe von 200 000 Euro bewilligt. Allerdings „konnten noch keine Planungstätigkeiten aufgenommen werden“.
Konkret: „Im Hinblick auf die Vielzahl der durch das Städtische Gebäudemanagement zu bearbeitenden Projekte kann derzeit noch keine Aussage zur planerischen beziehungsweise baulichen Umsetzung gemacht werden“, so die Auskunft des Presseamtes. Auch wenn Andrea Hillebrand den Umzug der Gedenkstätte in das Endenicher Kloster als „ein Leuchtturmprojekt der Stadt“ bewertet, „das Bund und Land fördern würden“, hat sie sich auf Abwarten eingestellt. „Wir führen weiter Gespräche, um das Thema und die Relevanz dieses Standortes deutlich zu machen.“
Nur 13 internierte Juden überleben den Holocaust
1941 beschlagnahmte die Gestapo das Kloster Maria Hilf der Benediktinerinnen zu ewigen Anbetung in Endenich. Die dort lebenden Nonnen wurden gezwungen, das Kloster binnen eines Tages zu verlassen. Ab Juni 1941 wurden dort Jüdinnen und Juden aus Bonn und dem Umland interniert, um deren Deportation vorzubereiten. Der Historiker Johannes Platz spricht von einem Ghetto, weil die Internierungsdauer mit bis zu einem Jahr länger war als in vielen Sammellagern. Die insgesamt 479 internierten Jüdinnen und Juden wurden über das Kölner Messelager vom Bahnhof Deutz mit Deportationszügen nach Theresienstadt, Sobibor, Majdanek und Maly Trostinez verbracht. Nur 13 in Endenich internierte und aus Bonn deportierte Jüdinnen und Juden haben die Shoa überlebt.