Reformationsgottesdienst "Gegenseitig bereichern statt nur ertragen"

Bonn · IKatholischer Stadtdechant Wilfried Schumacher predigt beim evangelischen Reformationsgottesdienst. Superintendent Eckart Wüster hatte den Ball ins Spiel gebracht, indem er unter dem Jahresmotto "Reformation und Toleranz" seinen katholischen Kollegen als Reformationstagsprediger einlud.

Wo ist die Grenze der Toleranz? Diese Frage stellte Stadtdechant Wilfried Schumacher in den Mittelpunkt seiner Predigt von der Kanzel der Kreuzkirche.

Wo ist die Grenze der Toleranz? Diese Frage stellte Stadtdechant Wilfried Schumacher in den Mittelpunkt seiner Predigt von der Kanzel der Kreuzkirche.

Foto: Barbara Frommann

Und Monsignore Wilfried Schumacher spielte den Ball am Donnerstagabend auf der Kanzel der Kreuzkirche beherzt zurück. Den evangelischen Feiertag über die Konfessionsgrenzen hinweg als eine "Schule der Toleranz" zu begreifen, dazu rief Schumacher in der gut besuchten Kirche auf. "Wir müssen lernen, einander nicht nur zu ertragen, sondern gegenseitig zu bereichern, so dass jeder seine spezifische Gabe ins Ganze einbringen kann", sagte der Gast, der augenzwinkernd mit einem Roten-Tuch-Plakat empfangen worden war.

Gerade vor kirchengeschichtlichem Hintergrund sei Toleranz ein mutiges Motto, "Denn so tolerant wie wir uns heute geben, waren wir auf beiden Seiten der Konfessionsgrenzen nicht immer." Hier gehe es ihm um die Perspektive eines glaubenden Menschen, sagte Schumacher. "So verstanden bedeutet Toleranz also nicht, alles zu akzeptieren, alles zu relativieren und nicht mehr zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, bedeutet nicht, über Verschiedenheiten hinwegzusehen, sondern im Gegenteil, sie wahrzunehmen und sie demütig, friedfertig und geduldig zu ertragen."

Da entstehe manche Belastungsprobe. "Es wäre unehrlich zu behaupten, dies sei immer leicht und einfach. Falsch verstandene Toleranz toleriert alles und jedes, nennt das Falsche nicht mehr beim Namen und setzt dem Bösen keine Grenzen."

In Bonn sei das ökumenische Miteinander geprägt von einer vielfältigen Gemeinsamkeit und einer auch noch bestehenden Unterschiedlichkeit, die man genau in dieser Haltung der Toleranz miteinander demütig und friedfertig lebe. "Aber erlauben wir den anderen den Tanz am Karfreitag? Oder verlangt nicht der Respekt vor unserer Überzeugung den Verzicht darauf bei den anderen?" Und Schumacher fragte durchaus auch: "Wie viel Lärm muss der Anwohner des Kunstrasens tolerieren? Oder rechtfertigt der Ruf nach Toleranz beim anderen alles und jedes in unserem Tun? Wann und wo ist eigentlich Null-Toleranz zu rechtfertigen? Wo ist die Grenze des Neins, bis hierher und nicht weiter?"

Auf die Bühne der Welt geschaut, seien dort, wo sich religiöser Universalanspruch und politische Macht miteinander verknüpften, die besten Bedingungen für das Entstehen totalitärer Verhältnisse gegeben. So beobachte er mit Sorge, wie in der islamischen Welt tolerante Christen intoleranten Muslimen gegenüberstünden. "Dort, wo alle Gebiete des menschlichen Lebens durch die Religion mit Hilfe des Staates reguliert werden, dort kann die Frage nach Toleranz überhaupt nicht auftauchen."

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