Interview mit Bernhard Helmich Generalintendant hält Sanierung der Oper in Bonn für besten Weg

Bonn · Generalintendant Bernhard Helmich hält eine Sanierung des Opern-Gebäudes in Bonn für den besten Weg. Dass die öffentliche Hand sich mit Bauprojekten so schwer tut, ist für den Theaterleiter eine Gefahr für die Demokratie. Als Generalintendant des Theaters steuert Helmich die Geschicke von Oper und Schauspiel. Mit ihm sprach Andreas Baumann.

 Neigt zur klaren Kante: Generalintendant Bernhard Helmich beantwortet die Fragen von GA-Redakteur Andreas Baumann in seinem Büro im Opernhaus.

Neigt zur klaren Kante: Generalintendant Bernhard Helmich beantwortet die Fragen von GA-Redakteur Andreas Baumann in seinem Büro im Opernhaus.

Foto: BENJAMIN WESTHOFF

Ist Generalintendant in Bonn zu sein zweitschönster Job nach Papst?

Bernhard Helmich: Generalintendant zu sein, ist viel schöner. Die Stadt sucht man sich nicht frei auf dem Papier aus. Jede Stadt hat andere Nachteile, Herausforderungen und dann wieder Dinge, die wunderschön sind.

Nach dem Erfolg von Bonnopoly, der Aufarbeitung des WCCB-Skandals. Welches Bonner Thema würden Sie gern zum Bühnenstück machen?

Helmich: Ich finde, Bonnopoly ist immer noch das aktuellste Stück. Wahrscheinlich war es deshalb so gut, weil viele Probleme, die diese Stadt hat - nicht nur mit Bauen - auf diese Blaupause passen. Diese Geschichte, die etwas zu tun hat mit Kleinkariertheit und Größenwahn im Beamtenapparat und der Bevölkerung, findet sich hier in vielen Bereichen wieder.

Kommt das Stück wieder?

Helmich: Nein, es ist hauptsächlich wegen des Schlammbades auf der Bühne technisch zu aufwendig. Das schaffen wir leider nicht.

Welches Stück war in der letzten Spielzeit Ihr liebstes?

Helmich: In der Oper "Die Sache Makropulos", ein Stück, das nicht so wahnsinnig viel Publikum hatte, aber unglaublich gelungen war. Es hat Stärken unseres Theaters gezeigt: Tolles Ensemble, tolles Orchester und den großen Gewinn, den man hat, wenn man sich auf internationale Zusammenarbeit einlässt, hier mit der English National Opera. Im Schauspiel war es "Candide", die Eröffnungspremiere des neuen Direktors Jens Groß und unseres Hausregisseurs Simon Solberg. Die stand im Zusammenhang mit dem tollen Schauspielfest, das wir in Bad Godesberg hatten. Man merkt sehr deutlich, dass das Schauspiel wieder stärker zur Mitte der Stadt gehört.

Makropulos hatte 37 Prozent Auslastung, während die Zauberflöte 93 Prozent erreicht. Hat Nike Wagner recht mit ihrem Urteil, das Bonner Publikum sei eher konservativ?

Helmich: Es unterscheidet sich von einem Weltstadtpublikum durch die Zahl der Menschen. Je größer eine Stadt ist, desto mehr Interessenten hat man für Dinge, die zunächst mal nicht populär sind. Wenn wir ein Stück wie Makropulos spielen, ahnen wir, dass da nicht ganz so viele Leute kommen. Die Kunst ist, übers ganze Jahr so zu kalkulieren, dass man Hits neben weniger Populäres stellt. Das ist der Kern von deutschem Stadttheater seit Goethes Zeiten.

Die Gesamtauslastung von Oper und Schauspiel liegt ohne Personal- und Vorzugskarten nur bei 70 Prozent. Reicht Ihnen das?

Helmich: Wir spielen mehr als früher, dadurch steigt die Zuschauerzahl, während die Auslastung sinkt. Es sollten auf jeden Fall noch mehr Zuschauer werden! Das Spezifische in Bonn ist, dass die Anzahl der Abonnenten im Verhältnis zum Freiverkauf relativ gering ist. Deren Zahl wollen wir in den nächsten Jahren erhöhen.

Warum ist Bonn da anders als andere Städte?

Helmich: Ich denke, weil es hier so viele andere kulturelle Angebote gibt, ist die Bindung nicht so stark. Außerdem war das Hauptstadttheater zu wenig für die Bürger da.

Unter Spardruck stehen Sie seit Ihrem ersten Tag in Bonn. Wie viele Stellen haben Sie gestrichen, und was bedeutet das für die Arbeit?

Helmich: Nach den großen Einschnitten kamen neun weitere Stellen hinzu. Wir merken jetzt, was das bedeutet. Zum Beispiel im technischen Bereich, wo wir Mannschaften auf der Bühne haben, die auf das absolut Notwendige reduziert sind. Über Jahre ist - und zwar schon vor meiner Zeit - nur mit befristeten Verträgen nachbesetzt worden. So haben wir jetzt eine vom Lebensalter her sehr erfahrene Technik. Angesichts dessen, was die Damen und Herren körperlich leisten müssen, ist es eine problematische Situation, die immer mal zu Ausfällen führt.

Es steht noch immer der Ratsbeschluss, ab 2023 rund 3,5 Millionen Euro in der Kultur zu sparen. Wo soll das passieren, wenn nicht beim städtischen Theater mit einem Jahreszuschuss von rund 30 Millionen?

Helmich: Bei uns ist das Geld nicht zu holen, wie auch das Gutachten von Actori ergeben hat. Einsparen könnten wir nur noch auf Basis gravierender Einschnitte.

Heißt?

Helmich: 3,5 Millionen aus einer Sparte herauszuholen, wäre eine Verstümmelung, die auch praktisch wahnsinnig schwer durchzuführen wäre. Eine solche Summe würde automatisch eine Spartenschließung bedingen.

Das könnte nur das Schauspiel sein, oder?

Helmich: Niemand wird ernsthaft das Schauspiel schließen wollen. Es wird um diese Kürzungen eine Diskussion geben, bei der ich auf Einsicht hoffe.

Das Land hat seinen Zuschuss erhöht. Wie viel mehr bekommen Sie?

Helmich: Die Kommunen wurden in NRW mit den Aufgaben für Theater und Orchester allein gelassen. Das ist in fast allen Bundesländern anders. Die Landesregierung hat jetzt einen großen Sprung gemacht, den wir sehr begrüßen - zumal der Rat eine Kürzung um 400 000 Euro beschlossen hat. Dank des Düsseldorfer Geldes - dieses Jahr 576 000 Euro mehr - können wir bei vielen Künstlergagen nachbessern, die bisher zwar legal, aber unanständig sind.

Davon kann die freie Kulturszene auch ein Lied singen...

Helmich: Die freie Szene ist immer schlechter gestellt als ein Stadttheater. Leider ist in Bonn an einigen Stellen so dramatisch gespart worden - wenn ich etwa ans Euro Theater Central denke -, dass die Folgen katastrophal sind. Es bringt aber nichts, das eine gegen das andere auszuspielen. Man kann ähnlich wie beim Sport nur sagen: Das gehört in einer Gesellschaft zusammen. Eine Stadt muss wissen, was ihre Identität ist.

In der Sommerpause gab es in der Oper Instandsetzungsarbeiten?

Helmich: Da ist viel passiert, und es hat, von Details abgesehen, gut und pünktlich funktioniert. Vor allem die sicherheitsrelevanten Arbeiten hat das Städtische Gebäudemanagement sehr gut ausgeführt, und wir sind spielfähig.

Bonn muss sich entscheiden, ob die Oper saniert oder mit einem Neubau ersetzt werden soll. Dauert Ihnen der Prozess zu lange?

Helmich: Klar. Diese Frage ist aber schwer zu entscheiden und beschäftigt im Moment auch Stuttgart, Frankfurt, Mannheim oder Düsseldorf. Dort ist man vielleicht in der Analyse der Situation etwas weiter, aber noch nicht zur Entscheidung gekommen. In Bonn kommt noch ein gewisser Charakterzug hinzu, nicht wirklich zu Entscheidungen zu neigen. Die andere Frage ist das Bauen in öffentlicher Hand generell. Das ist ein gesellschaftliches Problem mit tiefgreifenden Folgen für unsere Demokratie - ob es sich um ein Bonner Schwimmbad handelt oder einen Berliner Flughafen.

Wie meinen Sie das?

Helmich: Ich sehe eine Gefahr für die Demokratie, wenn die öffentliche Hand und die Parlamente nicht mehr in der Lage sind, solche Projekte zügig zu beschließen und auszuführen, den Bürgern den Stolz auf Bauwerke zu geben, die in ihrer Stadt etwas ganz Besonderes sind. Diese Hängepartien, die viele Ursachen haben, sicher auch in der Liberalisierung der Wirtschaft bei immer neuen Auflagen für die öffentliche Hand, machen Bürger unzufrieden. Diese Unzufriedenheit ist ein Grund für das Starkwerden von Populismus.

Wollen Sie einen Opern-Neubau?

Helmich: Kollegen, die sanieren, sagen mir: Macht das bloß nicht, sondern baut neu! Dafür gibt es gute Argumente. Mir hat aber bisher noch niemand sagen können, wo in Bonn ein günstiger Bauplatz wäre. Würde man am Ort des Opernhauses neu bauen, müsste man erst abreißen, und die Zeit in einem Ausweichquartier wäre unendlich lang. Ein anderes Argument hat mit dem aufkommenden Populismus zu tun. Ich glaube, dass wir in Bonn gut tun, alles in den Vordergrund zu stellen, was mit der Glanzzeit der deutschen Demokratie zu tun hat. Dazu gehört dieses Gebäude.

Bei einer Sanierung brauchen Sie aber auch eine Ersatzspielstätte...

Helmich: Mit Sicherheit. Wie lang diese Phase ist, ist noch nicht abschließend analysiert.

Für Sie ist also die Sanierung der Oper der bessere Weg?

Helmich: Ich sehe im Moment keinen anderen. Wenn plötzlich ein tolles Grundstück in der Diskussion wäre, müsste man vielleicht neu nachdenken. Bei einer Sanierung wäre sinnvoll, so viel wie möglich im laufenden Betrieb zu tun, unabhängig davon, wie lange das dauert.

Spardruck, Debatten um ihre Vertragsverlängerung, Angriffe vom Stadtsportbund: Haben Sie jemals bereut, nach Bonn gekommen zu sein?

Helmich: In den ersten zwei Jahren war ich nicht sehr glücklich. Aber man hat dann gesehen, dass sich in der Diskussion in der Stadt viel verändern kann. Auch die Oberbürgermeisterwahl hat einen Umschwung im Klima gebracht.

Sie können mit Ashok Sridharan besser als mit seinem Vorgänger Jürgen Nimptsch?

Helmich: Ich kann mit fast jedem Menschen besser als mit dem früheren Oberbürgermeister. Mit seinem Nachfolger läuft es sehr professionell und vertrauensvoll. Wir sind im Moment, und auch das sind Initiativen von Herrn Sridharan und Kulturdezernentin Birgit Schneider-Bönninger, mit den Vertretern des Sports in intensiven und guten Gesprächen. Auf beiden Seiten wächst die Erkenntnis, dass wir zusammengehören. Im Beethovenjahr gibt es zum Beispiel ein Fest im Sportpark Nord, an dem wir alle beteiligt sind.

Im Dezember startet das Beethoven-Jubiläumsjahr. Sind Sie sicher, dass Bonn ein Programm aufstellt, das international ausstrahlt?

Helmich: Ich bin überzeugt, dass das Programm des Beethoven Orchesters die Bonner so erreichen wird, dass es das Verhältnis zum Orchester noch mehr zum Positiven entwickeln kann. Ich glaube, die Beethovenfeste im März und im September werden eine noch mal höhere Strahlkraft haben als die "normalen" der letzten Jahre. Und ich denke, unser eigenes Programm muss sich nicht verstecken. Den Gedanken, dass aus diesem Anlass Zehntausende von Asiaten unsere Stadt besuchen werden, habe ich nie nachvollziehen können. Deshalb planen wir als Theater Bonn im Oktober 2020 eine Chinatournee.

Wird das Jubeljahr ein Feuerwerk, das danach verpufft ist?

Helmich: Wenn es darum geht, wie den Bonnern von ihren eigenen Institutionen - und da schließe ich die freie Szene ein - Beethoven näher gebracht und der Zusammenhalt in der Stadt gestärkt wird, dann kann das nachhaltig sein.

Bedauern Sie, dass Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner die Stadt verlässt?

Helmich: Ich habe mit ihr hervorragend zusammengearbeitet. Natürlich bedauere ich, dass sie geht.

Wollen Sie Ihren Vertrag über 2023 hinaus verlängern?

Helmich: Dafür ist es jetzt wirklich zu früh.

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