Mord an Obdachlosem in Bonn Gericht erlebt Überraschung beim Ortstermin

Bonn · Im Prozess gegen einen 26-jährigen Obdachlosen, der im Dezember seinen Freund aus der Obdachlosenszene in der Bonner Kesselgasse erschlagen haben soll, trafen sich die Prozessbeteiligten am Montag am Tatort.

 Richter Josef Janßen (2.v.l.) macht sich am Montag selbst ein Bild vom Fundort der Leiche.

Richter Josef Janßen (2.v.l.) macht sich am Montag selbst ein Bild vom Fundort der Leiche.

Foto: Horst Müller

Es war ein kurzer Fußweg für das Schwurgericht zum Ortstermin in der Kesselgasse: Am Montagmorgen begaben sich alle Beteiligten im Prozess gegen den 26-jährigen obdachlosen Polen, der seinen 34-jährigen ebenfalls obdachlosen Freund in einer Garage erschlagen haben soll, zum nur wenige Meter vom Gericht gelegenen Tatort. Sie erlebten eine Überraschung, denn der Mitarbeiter eines nahe gelegenen Geschäftes erklärte als Zeuge, er habe den Getöteten wenige Stunden vor der Tat in einer anderen Garage schlafen sehen als bisher angenommen. Der 34-Jährige war erst tags darauf am 18. Dezember tot in einer weiteren Garage gefunden worden.

Ob diese Information die ohnehin mühsame Wahrheitsfindung weiter erschwert, wird sich zeigen. Das Gericht muss sich im Prozess auf Indizien und Zeugenaussagen stützen, denn der Angeklagte schweigt eisern. Ob sich klären lässt, wie das Opfer von der Garage, in der es schlief, in die Garage kam, in der es getötet wurde, scheint fraglich. Die Staatsanwaltschaft ist jedenfalls von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt: Dessen DNA wurde am Tatort gefunden. Außerdem sah der Nachbar, wie er beim Ortstermin erklärte, wie die beiden Männer vor den Garagen stritten.

Und: Zwei Zeugen sahen den Angeklagten kurz nach der errechneten Tatzeit am Abend des 17. Dezember mit Blut an der Hose. Diesen Zeugen erklärte er, sein 34-jähriger polnischer Landsmann und Freund sei in einer Garage erschlagen worden. Den Rat der Männer, die Polizei zu rufen, ignorierte der 26-Jährige jedoch und verschwand nach Hamburg, wo er einige Tage später verhaftet wurde. In der Obdachlosenszene gilt der Angeklagte als aggressiv und unberechenbar.

Wie gewalttätig er immer wieder gegenüber dem 34-Jährigen wurde, mit dem er ständig herumzog, schilderten auch am Montag Zeugen vor Gericht. Im November erlebte ein Ladenbesitzer in der Altstadt den Angeklagten sogar als regelrecht gefährlich. Der 62-Jährige berichtete, wie er den beiden Obdachlosen habe helfen wollen und erlebt habe, wie der Angeklagte dem völlig hilflosen 34-Jährigen einfach so ins Gesicht schlug.

"Es war eine psychologische Demütigung", meinte der Zeuge. Das Opfer habe sich nicht gewehrt. Als der 26-Jährige plötzlich ein Messer in der Hand gehabt habe, habe er die Polizei gerufen. Er hoffe, so der Zeuge, dass das Opfer, um das es hier im Prozess gehe, nicht dieser arme Kerl von damals sei. Kammervorsitzender Josef Janßen zeigte ihm das Foto des Getöteten, und der Zeuge sagte sichtlich erschüttert: "Er ist es."

Auch ein Ehepaar rief Anfang Dezember die Polizei, als es sah, wie der Angeklagte dem 34-Jährigen vor dem Frankenbad mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug. Der Mann habe "fürchterlich geblutet", sagte der 79-jährige Zeuge. Der Angeklagte, den er nun als diesen Schläger erkannte, sei weggegangen. Das Opfer aber habe stillgehalten, nichts gesagt und keine Anzeige erstatten wollen.

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