Schizophrene Erkrankung Obdachloser trotz vieler Delikte in Bonn freigesprochen

Bonn · Er stärkte sich am Hotelbuffet und stahl einen Kleinwagen: Obwohl ihm viele Delikte vorgeworfen wurden, ist 48-jähriger Obdachloser in Bonn freigesprochen worden. In eine psychiatrische Klinik muss er zunächst nicht

 Ein 48-Jähriger wurde trotz zahlreicher Vergehen von einer Richterin der 3. Großen Strafkammer in Bonn freigesprochen. Wegen einer schizophrenen Erkrankung gilt er als schuldunfähig.

Ein 48-Jähriger wurde trotz zahlreicher Vergehen von einer Richterin der 3. Großen Strafkammer in Bonn freigesprochen. Wegen einer schizophrenen Erkrankung gilt er als schuldunfähig.

Foto: Benjamin Westhoff

„Es stand auf Messers Schneide“, schloss Isabel Köhne die Urteilsbegründung: Der 48-jährige Beschuldigte durfte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Nicht nur eine Verurteilung wegen diverser Delikte vom Diebstahl bis zur Beleidigung bleibt dem Obdachlosen erspart. Der Beschuldigte ist aufgrund einer schizophrenen Erkrankung schuldunfähig. Auch die zur Debatte stehende dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist vorerst vom Tisch.

Die meisten der insgesamt elf verhandelten Taten waren wohl nicht besonders dramatisch: „Sie hatten dennoch Glück, dass ihre Opfer so viel Verständnis aufbrachten“, hatte die Vorsitzende Richterin der 3. Großen Strafkammer den Mann kurz zuvor wissen lassen. Zum Glück war auch der entstandene Schaden eher gering: So hatte der Beschuldigte zum Beispiel eine offen stehende Tür genutzt, um sich an einem Hotelbuffet erst einmal richtig den Bauch vollzuschlagen, bevor er sich dann auf eines der Zimmer begab.

Er habe sich riesig gefreut, einmal entspannt und ausgiebig duschen zu können, hatte er das Gericht während des Prozesses wissen lassen. Erfrischt und sauber hatte er sich dann nackt in die Laken gekuschelt, schnarchte jedoch bald so laut, dass er nicht lange unentdeckt blieb und die Polizei ihn zu einem deutlich ungemütlicheren Ort mitnahm.

„Ich bin ja eher sowas wie ein Landstreicher“

Zu den herausragenden Taten gehörten eine angeblich exhibitionistische Aktion hinter dem Hauptbahnhof sowie eine Spritztour mit einem geklauten Wagen, die mit einem Unfall geendet haben soll. Ersteres entpuppte sich aber als Missverständnis: Weil der zu diesem Zeitpunkt ziemlich verwahrloste Beschuldigte „in Huckleberry-Finn-Manier“ nie eine Unterhose trug, konnte ein Mitarbeiter des Bahnhofs sein nacktes Glied sehen, als er sich in einem Gebüsch erleichterte.

Kein schöner Anblick „aber eben auch in strafrechtlicher Hinsicht keine Erregung öffentlichen Ärgernisses“, wie die Richterin feststellte. Der Diebstahl des Kleinwagens hatte tatsächlich stattgefunden, ging allerdings unfallfrei aus: Der Beschuldigte hatte die Gelegenheit „trocken zu übernachten und schön WDR4 zu hören“ ergriffen, als er den verbeulten VW Fox vor einer Pizzeria mit laufendem Motor und steckendem Schlüssel sah.

Sehr offen hatte sich der in Rio de Janeiro als Sohn deutscher Auswanderer geborene Beschuldigte während der Verhandlung zu den Vorwürfen geäußert: „Ich bin ja eher sowas wie ein Landstreicher“, hatte er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin nach seiner Familie geantwortet. Er sei aber aus „einem guten Stall“ gekommen. Trotz behüteter Kindheit in Brasilien und später bis zum Abitur in den USA, habe er allerdings nie etwas auf die Reihe bekommen.

Seit der Mann sich einer Behandlung in einer Klinik unterzogen hat und medikamentös gegen seine Schizophrenie behandelt wird, hat sich sein Zustand deutlich gebessert. So konnte ihm das Gericht nur dringend nahelegen, dass er auch in Zukunft die Medikation beibehalten solle: „Sonst geht das beim nächsten Mal anders aus“, ließ die Richterin den Mann zum Abschluss der Verhandlung wissen.

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