Schwurgericht Bonn 37-Jähriger soll sterbender Mutter nicht geholfen haben

Bonn · Ein 37-jähriger Kellner aus Bonn muss sich vor dem Bonner Schwurgericht wegen Totschlags durch Unterlassen verantworten. Ihm wird vorgeworfen, seine 63-jährige Mutter auf dem Boden der gemeinsamen Wohnung sterben gelassen zu haben.

 Wegen Totschlags durch Unterlassen muss sich ein 37-jähriger Kellner aus Bonn vor dem Bonner Schwurgericht verantworten.

Wegen Totschlags durch Unterlassen muss sich ein 37-jähriger Kellner aus Bonn vor dem Bonner Schwurgericht verantworten.

Foto: Benjamin Westhoff

Der sachliche und eloquente Vortrag des Angeklagten wollte so gar nicht zu den geschilderten Umständen passen: Ein 37-jähriger Kellner steht seit Donnerstag vor dem Bonner Schwurgericht, weil er im vergangenen Frühjahr seine 63-jährige Mutter auf dem Boden der verwahrlosten Wohnung liegen ließ, bis diese nach zwei Tagen verstarb. Totschlag durch Unterlassen wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, und der Angeklagte räumte die Vorwürfe gleich zu Beginn der Hauptverhandlung vollständig ein.

Alkohol spielte auch eine Rolle; die Wurzeln des Familiendramas reichen aber wohl deutlich tiefer: Seit seiner Geburt lebte der Mann mit seiner Mutter zusammen. Wer sein Vater sei, habe er nie erfahren, äußerte sich der Angeklagte zunächst noch über seinen Anwalt zu seiner Person. Nach außen hin habe seine Mutter immer behauptet, ihr Sohn sei das Ergebnis eines Urlaubsflirts. Er glaube jedoch, dass seine Mutter die Identität seines Vaters kannte und er womöglich auch in der Region lebe.

Sein Abitur hatte der Mann nach seinen Angaben im zweiten Anlauf relativ mühelos und mit einem durchaus akzeptablen Durchschnitt geschafft. Mehrere Anläufe zu einem Studium scheiterten allerdings – aus einem Studentenjob in einer Bonner Gaststätte wurde jedoch mit der Zeit eine Festanstellung. Zu seiner Mutter habe er immer ein gutes Verhältnis gepflegt, sie sei eine unkonventionelle und willensstarke Frau gewesen.

Nachdem sie ihren Job bei der Bundestagsfraktion einer Partei in Berlin verloren hatte, sei die eigentlich lebenslustige Frau aber zusehends vereinsamt. Zuvor sei sie unter der Woche regelmäßig zwischen dem Rheinland und der Hauptstadt gependelt. Aufgrund ihrer Antriebslosigkeit und einer Erkrankung sei der Alltag dann immer schwieriger geworden, trug der Angeklagte nach dem Statement seines Anwalts nun in freier Rede vor. Er selber habe sich, nachdem er von seiner Arbeit gekommen sei, dem Konsum von Whisky und Cannabis hingegeben.

Seine Mutter habe regelmäßig Wein getrunken, sei aber im Gegensatz zu ihm selber keine Alkoholikerin. Sie habe allerdings mit der Zeit eine Inkontinenz entwickelt, und er sei mit der Hilfe beim Windeln wechseln, dem Aufräumen und dem Reinigen der Wohnung schlicht überfordert gewesen. Auch habe seine Mutter immer wieder geäußert, gerne aus dem Leben scheiden zu wollen.

Nachdem er sie am Nachmittag des 7. Mai auf dem Boden liegend vorgefunden hatte, ließ er seine Mutter einfach dort liegen. Grundsätzlich habe er die Möglichkeit, dass seine Mutter dort am Boden liegend sterben könne, durchaus in Betracht gezogen. Unterschwellig habe er wohl auch gedacht, dass sie sich das wünsche. Er schäme sich aber sehr für das Geschehene und wolle nun auch gerecht dafür bestraft werden.

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