Schadensersatzprozess Gericht weist Klage der Stadt Bonn im WCCB-Prozess ab

Bonn · Das Urteil im WCCB-Prozess ist gefallen. Das Gericht hat die Klage der Stadt Bonn gegen den Investor Man-Ki Kim abgewiesen.

Nach über vier Jahren Prozessdauer mit umfassender Beweisaufnahme und vielen Zeugen war die Verkündung der Entscheidung der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn in Saal 1.07 am Mittwoch eine Sache von Sekunden: „Die Klage wird abgewiesen“, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Bellin – genauer: die Schadenersatzklage der Stadt Bonn gegen den ehemaligen WCCB-Investor Man-Ki Kim. Damit ist die Akte mit dem Zeichen 1 O 36/14 geschlossen – und bleibt geschlossen, wenn die Stadt nicht eine kostspielige und riskante Berufung wagt.

Kurzum: Die Kammer ist überzeugt, dass Teile der Stadtverwaltung zum Zeitpunkt der Ratsentscheidung (14. Dezember 2005) wussten, dass der Investor Man-Ki Kim (SMI Hyundai Corp.) Bonitätsprobleme hatte und kaum das geforderte Eigenkapital von 40 Millionen Euro aufbringen konnte. Der damals leitende Sparkassen-Mitarbeiter Ulrich Voigt hatte als Zeuge die Reihenfolge geschildert: Erst im Oktober 2005 die Kreditablehnung, „dann gab es Gespräche mit der Stadt“, schließlich die städtische Bereitschaft für eine Nebenabrede (Bürgschaft) – und erst „daraufhin hat dann die Sparkasse ihre Kreditgrundsatzzusage erteilt“.

Ein Szenario voller Widersprüche

Dass dem Stadtrat das alles verschwiegen wurde, als er Ende 2005 pro Kim/SMI Hyundai als Investor stimmte, wurde strafrechtlich nicht geahndet. Alle Verfahren gegen städtische Angeklagte wurden gegen Geldauflage eingestellt. Folgt man der Zeugin Bärbel Dieckmann, ehemalige SPD-Oberbürgermeisterin, war sie „an derartigen Gesprächen“, wie sie Voigt erwähnte, „nicht beteiligt, gehe aber davon aus, dass entsprechende Gespräche stattgefunden haben“. Stellt der Bürger sich vor, dass die Verwaltungschefin seiner Stadt nicht über eine 74,3-, später 104,3-Millionen-Bürgschaft Bescheid wusste oder die „Nebenabrede“ nicht als Bürgschaft interpretierte, bleibt nach dem Logik-Einmaleins nur eine Möglichkeit: Dass die städtischen WCCB-Projektbeauftragten Eva-Maria Zwiebler (CDU) und Arno Hübner (CDU) alles im Stillen mit der Sparkasse geregelt haben und ihre Chefin im Unklaren ließen. Diesem Szenario widersprechen jedoch einige dokumentierte Aktennotizen.

Schließlich wandern am 19. März 2007, dem Tag der von Hübner und Stadtkämmerer Ludger Sander unterzeichneten Nebenabrede, alle Risiken des Projekts zum Steuerzahler. Dass die Stadt in dem Bürgschaftspapier sogar für das fehlende Eigenkapital des Investors haftet, wird erst mit dem WCCB-Report des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) 2010 das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

Wer das Papier unterschrieben hat, muss aber nicht zwangsläufig dessen Inhalt beschlossen haben. Aber wer war's? Wer genau? Die von Anfang an im WCCB-Aufklärungslabyrinth stehende Frage „Wer hat wann was gewusst?“ blieb auch gestern unbeantwortet und das Geheimnis um die Bürgschaft ein Geheimnis. Wenn es niemand konkret war, bleibt nur der „Heilige Geist“, aber der lässt sich selbst im Rheinland nicht auf Schadensersatz verklagen. Es bleibt ein Eiertanz. Das könnte Vorteile haben für die potenziell Verdächtigen. Denn aus dem überraschend deutlichen Urteil, das sich in der Vergleichssprache wie ein 100-Prozent-Sieg für Kim liest, folgt, dass die Stadt ihren späteren eigenen Schaden erheblich „mitschuldensbegründend“ verursacht hat, wie die Zivilkammer bereits Ende 2016 mitgeteilt hatte. Wenn also der Südkoreaner Kim dafür nicht haftbar gemacht werden kann: Wer dann? Eine schwierige Frage, die OB Ashok Sridharan (CDU) und der Rat bald beantworten müssen.

„Hurra, wir sind betrogen worden“

Die Situation gleicht jener, in der einst Dieckmanns Nachfolger Jürgen Nimptsch (SPD) stand. Ein Rechtsgutachten empfahl ihm, die städtische Bürgschaft als EU-beihilferechtswidrig einzustufen. Hätte Nimptsch diese juristische Expertise nicht genutzt und sich nicht von der Sparkasse verklagen lassen (Bürgschaftsstreit), hätte er sich selbst einem Untreuerisiko ausgesetzt. In diesem Bürgschafts-Prozess bestand bereits das Risiko, dass die Frage „Wer wusste wann was?“ beantwortet wird, aber der Richter nahm die Abkürzung: keine Beweisaufnahme, sondern Vergleich.

Die Entscheidung gestern „steht meines Erachtens im Gegensatz zu einigen tragenden Gründen des Strafurteils“, sagte Kims Anwalt Christoph Schiemann, „das Urteil weist mit seinen Gründen offenbar anderen Handelnden wesentliche Verantwortung zu“. Denn Kim und sein Rechtsberater Ha-S. C. waren zu Haftstrafen, Kim allein in zwei Fällen wegen Betrugs verurteilt worden. Daraus strickten einige Politiker ein „Hurra, wir sind betrogen worden“; so erschien die Stadt in der Opferrolle. Die gerichtsfesten Betrügereien Kims bezogen sich jedoch weniger auf die Bonner Verwaltungsspitze, sondern einmal auf den nachträglichen Geldgeber Honua Investment und den Vorsatz, den Ratsmitgliedern mit falschen Angaben die Zugehörigkeit zu einem Konzern suggeriert zu haben. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Verwaltungsspitze von der Sparkasse aber längst, dass Kim ein Investor ohne Geld war. Deshalb wurde auch die Bürgschaft fällig.

Bis zu diesem Punkt spiegelt die Kausalität kaum Widersprüche und bleibt das WCCB-Geschehen plausibel und übersichtlich. Dass es später so teuer für die Stadt und später juristisch so kompliziert wurde, provozierte Kims von der Stadt akzeptierte Kapitalschwäche. Weltweit akquirierte er Millionen bei „Heuschrecken“ von Zypern bis Hawaii und verstrickte Bonns Prestigebau in bizarre Eigentümer-Fragen. Von da an wurde das WCCB zum Wirtschaftsthriller.

Die Entscheidung ließ auch den Zeiger auf der städtischen WCCB-Schuldenuhr weiterruckeln. Von den rund 300 Millionen Gesamtkosten verschlangen die juristischen Aufräumarbeiten allein zehn Millionen Euro, um das WCCB wieder in städtische Hände zu überführen. 842 225 Euro bewilligte der Rat später für die rechtliche Betreuung seiner städtischen WCCB-Fachkräfte. Und gestern dürfte für die erfolglos klagende Stadt mindestens eine halbe Million Euro (Gerichts-/Anwaltskosten) hinzugekommen sein. Der Richter bezifferte den Streitwert auf 26,4 Millionen Euro.

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